DAS WURZELWACHSTUM GEFÄLLTER BÄUME
Quelle: TASPO BaumZeitung, 04/2017, S. 48-52
Dipl.–Biol. Dr. Markus StreckenbachWird ein Baum gefällt, weil seine Wurzeln in Konflikt mit der bebauten Umgebung geraten sind, stellt sich die Frage, ob die verbleibenden Wurzeln zu weiteren Veränderungen an der Bausubstanz führen können.
Einleitung
Die Fällung eines Baumes stellt aus baumpflegerischer Sicht stets die Ultima Ratio dar, die allenfalls noch um das Ausfräsen der Stubbe erweitert werden kann. Das erfolgreiche Austreiben von neuen Sprossen an gefällten Baumstämmen oder an den Stümpfen der im Boden verbliebenen Baumteile wirft die Frage auf, ob auch die Wurzeln gefällter Bäume neu austreiben können und Wurzelsysteme nach einer Fällung weiter wachsen.
Während die Erforschung der Vorgänge in den oberirdischen Baumteilen noch in der jüngeren Vergangenheit vorangetrieben wurde, so sind die Absterbeprozesse von Wurzeln weitgehend unerforscht. Letztgenannte spielen vor allem hinsichtlich der Kohlenstofffixierungsleistung von Böden eine Rolle, wobei insbesondere die Abbaugeschwindigkeiten der Wurzeln von Interesse sind. Im Detail jedoch, das heißt über die Betrachtung von Feinst- und Feinwurzeln hinaus, ist nur wenig bekannt und es wird ein nur geringer Forschungsaufwand betrieben.
Anders als bei abgetrennten Zweigen, Ästen und Sprossen, die im Wesentlichen einem mikrobiellen Abbau unter dem Einfluss der Witterung unterliegen, zersetzen sich Wurzeln zudem auch unter dem Einfluss der Aktivität des Edaphons, so dass für die Prozesse an oberirdischen Baumteilen bekanntes, lediglich Anhaltspunkte für die bei Wurzeln ablaufenden Vorgänge liefert.
Zudem kommt erschwerend hinzu, das im Einzelnen nicht geklärt ist, was genau mit der jeweils anderen Baumhälfte passiert, wenn der Gesamtorganismus durchtrennt wurde. Sicher ist, dass ein Luftabschluss auf Lebens- und damit auch auf Abbauprozesse verzögernd wirkt und das eine Fällung keinesfalls das sofortige Ende eines Baumes bedeutet – weder für den einen, noch für den anderen Teil.
Fähigkeit zur vegetativen Vermehrung
Die sichtbaren und die verdeckten Baumteile sind aufeinander angewiesen und funktionieren, eingespannt zwischen dem Boden und der Atmosphäre, nur im Verbund miteinander reibungslos. Dies bedeutet jedoch nicht zugleich, dass Wurzeln ohne Sprosse oder Sprosse ohne Wurzeln nicht überlebensfähig sind, wie bereits ein Blick auf die zahlreichen Facetten der vegetativen Vermehrung von Pflanzen offenbart.
Bei der Produktion von Steckhölzern werden beispielsweise Sprossstücke in den Boden gesteckt, in dem sie nach einer Weile damit beginnen, Wurzeln zu schlagen. Weitaus weniger häufig ist die Generation von neuen Sprossen an Wurzelabschnitten von Gehölzen, zu denen einige, wie beispielsweise Kirschen- und Pappel-Arten oder die Robinie jedoch besonders intensiv befähigt sind.
Dieser Neuaustrieb von Wurzeln an Sprossstücken beruht, ebenso wie die Ausbildung von Sprossen an Wurzelstücken, darauf, dass Reservestoffeinlagerungen in den betreffenden Abschnitten verarbeitet werden. Zur erfolgreichen vegetativen Vermehrung benötigen sie hierzu vor allem eine gewisse Umgebungswärme und Feuchtigkeit. Wichtig ist, dass die omnipotenten Zellen der kambialen Gewebe nicht austrocknen und ihnen die Energie, die sie für ihre Teilungsaktivität benötigen, in ausreichender Menge zur Verfügung steht.
Reichen die in den Geweben gespeicherten Energievorräte bis zur Funktionsfähigkeit der neu gebildeten Wurzeln oder Sprosse aus, so können die auf diesem Wege neu generierten Pflanzen überleben. Anderenfalls zehren sich die Vorräte auf, ohne dass ein stabiler Zustand erreicht wird und das System schließlich kollabiert.
Bemerkenswert ist jedoch, dass der Antrieb zur Neubildung von Geweben, die Teilungsaktivität, bis zum letzten Moment ununterbrochen vorhanden ist und beispielsweise nur dann erlischt, wenn der Energievorrat aufgebraucht wurde und/ oder Abbauprozesse überhand nehmen beziehungsweise sich deren Produkte über Maß in den Geweben ansammeln, da sie nicht mehr abtransportiert werden.
Die Rolle der Reservestoffe
Wenngleich die Stärke- beziehungsweise Glucosevorräte (also die Speicherform beziehungsweise Transportform der photosynthetisch gebildeten Zucker) maßgeblich an der Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen von Spross- oder Wurzelabschnitten beteiligt sind, so spielt eine weitere Gruppe von Pflanzeninhaltsstoffen, die Phytohormone, eine überaus wichtige Funktion, wenn es um die Induktion neuer Sprosse oder Wurzeln geht.
Da sowohl eine Neubildung von Wurzeln an wurzellosen Sprossen wie auch von Sprossen an sprosslosen Wurzeln möglich ist, kommt es in einer vollständigen Pflanze, neben einer fortlaufenden Produktion und einem ständigen Fluss von Phytohormonen, auch zu einer Einlagerung dieser Stoffe. Dieser Vorrat beeinflusst die Überlebensfähigkeit eines separierten Pflanzenteils und ist, unter anderem in Abhängigkeit der Mächtigkeit des Speichergewebes, vor allem bei älteren Bäumen durchaus umfangreich vorhanden.
Zeitgleich unterliegen die Phytohormone in einem stärkeren Ausmaß enzymatischen Abbauprozessen als beispielsweise die Energie liefernde Stärke. Dennoch gilt, dass sich aus teilungsfähigen kambialen Zellen zunächst einmal jegliches pflanzliches Gewebe bilden kann. Über den weiteren Verlauf der Entwicklung entscheidet dann unter anderem die Lage des Pflanzenteils, und in Abhängigkeit davon auch der Effekt der Phytohormone, die zumeist sowohl hemmend als auch förderlich wirken können.
Eine neue Generation Wurzeln und Sprosse
Wird ein abgeschnittener wurzel- und blattloser Spross in die Erde gesteckt, findet in ihm keine nennenswerte Aufwärtsbewegung von Wasser statt. Phytohormone bewegen sich jedoch in den wassergefüllten Räumen der Leitelemente und Gewebe abwärts und lagern sich bodennah in der Nähe der Schnittstelle an. Hier ist es vor allem der Überschuss an Auxinen, der zur Generation von neuen Wurzeln führt.
Bei Wurzeln, an denen sich erneut Sprosse ausbilden, geht diese Entwicklung nicht mit einer gerichteten (schwerkraftbedingten) Ansammlung von Phytohormonen einher. Betroffene Wurzeln verlaufen meist horizontal und nahe der Erdoberfläche. Die Bildung neuer Sprosse steht bei ihnen, wie die Ausbildung von Sprossen an Stammbasen, in einem Zusammenhang mit einem Lichtreiz.
Im Unterschied zu neuen Sprossen an Stämmen, die in aller Regel aus bereits vorhandenen schlafenden Knospen entstehen, entwickeln sich neue Sprosse an verholzten Wurzeln jedoch nicht aus hierzu vorgesehenen Anlagen sondern aus den generell teilungsaktiven Zellen der Wurzelgewebe, des Kambiums, der Markstrahlen oder der äußeren Abschlussgewebe. Die Fähigkeit zur Ausbildung neuer Sprosse an Wurzeln („Wurzelbrut“) ist bei den meisten der zur Straßenbegrünung genutzten Baumarten in Mitteleuropa jedoch nicht besonders stark ausgeprägt.
Folgerungen für die Praxis
Wie zuvor für Wurzeln und Sprosse dargestellt, ist die Möglichkeit zur Entstehung neuer Organe, die einen bereits vorhandenen Teil ergänzen und damit zur Wiederherstellung eines Gesamtorganismus führen, eine bei allen Pflanzen grundsätzlich vorhandene Eigenschaft, die bei verschiedenen Arten jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Wenngleich dies im Detail stets mit Blick auf die jeweilige Situation betrachtet und bewertet werden muss, so sind allgemein gültige Zusammenhänge erkennbar, die für die häufigsten Anwendungsfälle die folgende Rückschlüsse erlauben:
Fall 1: Die Aktivität von Wurzelresten im Boden
In der gutachterlichen Praxis kommt es oft zur Aufforderung, einen Aktivitätsnachweis über eine geborgene Wurzel zu erbringen. Die dahinterstehende Frage ist zumeist, ob die Wurzel einer im Boden verbliebenen Stubbe noch lebendig ist oder nicht (mit der unausgesprochenen Intention, hierüber ein abstraktes Gefährdungspotenzial zu konstruieren). Die in Frage stehende Probe ließe sich hierfür beispielsweise hinsichtlich der Aktivität von Proteinen untersuchen. Im Ergebnis würde dadurch der Nachweis enzymatischer Reaktionen erbracht. Dies würde jedoch nicht zugleich bedeuten, dass die untersuchte Wurzelprobe auch tatsächlich im Sinne der Beweisführung „lebt“, da diese Aktivität womöglich auch auf Abbauprozesse von Destruenten zurückzuführen ist
Eine anatomische Untersuchung würde ebenfalls keine Erkenntnisse hierüber liefern und auch ein Stärkenachweis mittels Jod-Reaktion würde an der Beweisfrage vorbei laufen. Wurzeln reagieren nur an ihren Spitzen auf Schwerereize, dahinter liegende Bereiche jedoch nicht, so dass Wachstumsbewegungen als Beleg der Aktivität, bereits ungeachtet der enormen experimentellen Herausforderung, ausscheiden. Tatsächlich existiert derzeit kein praxistaugliches Verfahren zum Nachweis der Lebendigkeit einer Wurzelprobe. Dies liegt auch daran, weil unbestimmt bleiben muss, wann genau eine Wurzel aufhört zu Leben. Selbst bei genauer Definition dieses Zeitpunktes, müsste ein solcher Nachweis in situ und nicht im Labor erbracht werden und zudem, bei nachgewiesener Wurzelaktivität, die Dauer der noch verbleibenden Aktivitätsphase auf einer derzeit nicht vorhandenen Grundlage eingeschätzt werden.
In der Praxis zeigt sich indes, dass mehrjährige Wurzeln in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen über viele Jahre in einem frischen Zustand im Boden verbleiben können, ohne dass sie nennenswerte Abbauerscheinungen aufweisen und rein äußerlich sowie in ihrem anatomischen Aufbau absolut nicht von den Wurzeln eines lebenden Baumes derselben Art zu unterscheiden sind. Zudem ist die Folgerung, dass von einer im Boden verbliebenen, jedoch noch aktiven oder zumindest noch aktiv erscheinenden Wurzel eine weitere oder auch neue Gefährdung für die bebaute Umgebung ausgeht, meist ein Trugschluss.
Fall 2: Das Wachstum von Wurzelresten im Boden
Während ein im Boden verbliebenes Wurzelstück noch aktiv sein kann, also in diesem Stoffwechselprozesse unter Verbrauch der in den Geweben gespeicherten Reservestoffeinlagerungen stattfinden, werden hierdurch auch Wachstumsprozesse in Gang gehalten. Eine Einschränkung dieses logisch erscheinenden Zusammenhangs ergibt sich jedoch daraus, dass keine entsprechenden Untersuchungsergebnisse zur Wachstumsleistung durchtrennter Wurzeln vorliegen.
Davon unabhängig sind Wachstumsprozesse, ob in axialer oder radialer Richtung, generell energiezehrend. Mehrjährige Wurzeln haben ihr Längenwachstum jedoch eingestellt und können lediglich in ihrem Umfang zunehmen. Das Maß der Umfangserweiterung von im Boden verbliebenen Wurzelresten hängt also, wenn es überhaupt stattfindet, vom Energievorrat in den Wurzelgeweben und den Umgebungsbedingungen sowie dem Fortschritt des zeitgleich stattfindenden mikrobiellen Abbaus ab. Zudem müssen baumartbedingte Unterschiede angenommen werden.
Tatsächlich wurde in der Praxis bisher kein Fall beobachtet, in dem eine im Boden verbliebene Wurzel durch ihr Dickenwachstum zu weiteren oder neuen Veränderungen an der umliegenden baulichen Substanz beigetragen hat. Die Entstehung derartiger Schäden durch intakte Wurzeln erstreckt sich in aller Regel über mehrere Vegetationsperioden, so dass bei durchtrennten Wurzeln stets eher ein Aufzehren der Energievorräte zu erwarten ist, als dass durch eine Umfangserweiterung, in Form von dann wahrscheinlich ohnehin nur sehr schmal ausgeprägten Jahresringen, weitere oder neue Schäden entstehen.
Fall 3: Die Ausbreitung von Wurzelresten im Boden
Ungeachtet der Fragen zur Aktivität und zur Umfangserweiterung von durchtrennten Wurzeln, ergehen regelmäßig gutachterliche Aufträge dazu, Aussagen über die zukünftig zu erwartende Ausbreitung der Reste von im Boden verbliebenen Wurzelsystemen zu treffen. Auch in diesen Fällen steht im Hintergrund der Gedanke, dass von den Wurzeln eine weitere oder eine neue Gefahr für die umgebende Bausubstanz ausgehen könnte oder ob dieser Gefahr durch die Entnahme des Baumes ausreichend Rechnung getragen werden kann.
Längenwachstum ist begrenzt
Das Längenwachstum von Wurzeln vollzieht sich in einem eng begrenzten Bereich nahe der Wurzelspitze und, wie bereits angesprochen, stets unter Energieverbrauch. Da die jungen Wurzelspitzen unverholzt und zumeist ausgesprochen dünn sind, ist ihr Energievorrat überschaubar. Er erschöpft sich bei abgetrennten Feinst- und Feinwurzeln insbesondere daher, weil es kaum zu einem Nachschub in Richtung Wurzelspitze kommt.
Zeitgleich steigt die mikrobielle Abbaurate der unverholzten Wurzeln, deren Abschlussgewebe noch nicht vollständig ausgebildet sind und die den Zersetzungsprozessen daher nur wenig Widerstand leisten. Somit ist einem Längenwachstum von im Boden verbliebenen Wurzeln eine klare Grenze gesetzt. Allerdings erfolgt die Ausbreitung von Wurzelsystemen darüber hinaus über die stetige Ausbildung von neuen Seitenwurzeln, die sich durch ihr Längenwachstum neuen Raum erschließen.
Wie sich Seitenwurzeln bilden
Die Stelle einer zukünftigen Verzweigung ist zwar nicht vorhersehbar, jedoch erfolgt die Anlage von Seitenwurzeln stets über den Xylempolen beziehungsweise entspringen diese aus einem meristematischen Gewebe (Perizykel), das den Zentralzylinder umgibt. Damit sich die neu entstehenden Zellen zu Seitenwurzeln entwickeln, bedarf es dem lokalen Einfluss bestimmter Phytohormone, den Auxinen, die, je nach Konzentration, auch das Längenwachstum fördern. Ein Großteil der Auxine, die sich in einem ständigen Fluss im pflanzlichen Organismus befinden, werden vor allem in jungen Knospen und Sprossspitzen gebildet. Mit dem Verlust dieser wichtigen Quelle durch die Fällung eines Baumes, können die im Boden verbleibenden Wurzelreste nur noch die in den Geweben verbliebenen Auxin-Mengen so lange nutzen, bis ihre Energiereserven aufgezehrt sind und/oder äußere und innere Abbauprozesse überhandnehmen.
Da der tatsächliche Vorrat an Phytohormonen in pflanzlichen Geweben nicht nur jahreszeitlich bedingt schwankt und generell unbestimmt bleiben muss und diese zudem relativ einfach enzymatisch abgebaut werden, ist anzunehmen, dass ihr Vorrat sowie ihre Lagerungsfähigkeit zeitlich eng begrenzt ist. Wie immer in der Botanik, bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. So produzieren einige Baumarten, vornehmlich jene, die vergleichsweise leicht Wurzeln schlagen, in einem größeren Umfang Auxine als andere, so dass sich beispielsweise das Wasser, in dem Stücke junger Weidentriebe aufbewahrt werden, nach ein paar Tagen als Bewurzelungshilfe für Stecklinge anderer Pflanzen verwenden lässt.
Fazit
Die Kenntnis über baumbiologische Zusammenhänge erleichtert die Auseinandersetzung mit komplexen Fragestellungen, wie beispielsweise der Zersetzung von im Boden verbliebenen Wurzelresten, vermag diese aber nicht in jedem Fall eindeutig zu klären. Zu groß sind die Wissenslücken in diesen Randbereichen der Wissenschaft, die noch voller interessanter Fragen stecken und auf ihre Bearbeitung warten.
Bis dahin erlauben es allgemeine Zusammenhänge lediglich ebenso allgemeine Rückschlüsse zu ziehen, so dass die ohne Zweifel vorhandenen Einflüsse, wie beispielsweise die der jeweiligen Baumart oder der Umgebungsbedingungen, keine Berücksichtigung bei einer gutachterlichen Beurteilung finden können. Differenziert betrachtet, lässt sich die Eingangs aufgeworfene Frage nach dem Verbleib von im Boden verbliebenen Wurzeln nach einer Fällung wie folgt beantworten:
Bleiben abgetrennte Wurzeln im Boden aktiv?
Eindeutig ja. Die Aktivitätsdauer der Wurzeln hängt von der Menge der in ihnen eingelagerten Reservestoffen, der wurzeleigenen Stoffwechselaktivität und den abiotischen wie biotischen Umgebungsbedingungen ab. Ältere Wurzeln können über viele Jahre in einem frischen Zustand im Boden verbleiben, junge Wurzeln sterben rascher ab und zersetzen sich schneller.
Wachsen abgetrennte Wurzeln im Boden weiter?
Bedingt. Das Wachstum von Wurzeln vollzieht sich nicht über die gesamte Vegetationsdauer hinweg konstant, sondern findet vor allem im Frühjahr und im Herbst statt. Die Menge der in ihnen gespeicherten Reservestoffen beeinflusst das Wachstum ebenso wie die umgebenden Bedingungen. Ältere Wurzeln werden unter Umständen noch ein oder zwei dünne Jahresringe ausbilden können, wohingegen junge Wurzeln nicht in die Dicke und vor allem nicht mehr wesentlich in die Länge wachsen.
Breiten sich abgetrennte Wurzeln weiter im Boden aus?
Eher nicht. Die Entwicklung zumindest eines Besatzes neuer Feinwurzeln ist unter dem Einfluss entsprechender Bodenbedingungen, klimatischer Bedingungen und einer ausreichenden Menge an Reservestoffen sowie Phytohormonen nicht auszuschließen. Dennoch stellen letztgenannte den limitierenden Faktor dar und mit dem Verlust der oberirdischen Baumteile entfällt die wichtigste Quelle der zur Verzweigung von Wurzeln notwendigen Auxine.
Handlungsempfehlung: Stockaustriebe entfernen
Durch das Abtrennen der oberirdischen Baumteile entsteht unter anderem ein hormonelles Ungleichgewicht, welches die Entwicklung neuer Sprosse am verbleibenden Baumstumpf fördert. Dies führt dazu, dass den Wurzeln die für ihre Verzweigung notwendigen Auxine in adäquaten Mengen erneut zugeführt werden und sie ihr Wachstum fortsetzen können. In der Folge erhöhen sich dadurch die Chancen, dass sich das Wurzelsystem eines gefällten Baumes weiter ausbreitet und sich vorhandene Schäden ausweiten oder neue Schäden entstehen.
Daher sind ausschlags- und bewurzelungsfreudige Gehölze wie Weiden, Pappeln, Kirschen, Robinien aber beispielsweise auch Linden nach einer Fällung (als Ultima Ratio in Schadensfällen) intensiver zu beobachten als beispielsweise die meisten Nadelgehölze. Unabhängig von der Baumart sollten an der Stubbe und an Wurzelsträngen neu entstandene Stockaustriebe stets zügig entfernt werden, damit das Wurzelwachstum nicht reaktiviert wird. Die zusätzliche Rodung der Baumstubbe stellt eine Option dar, um womöglich bestehende Unsicherheiten hinsichtlich der Aktivität, des Wachstums und der Ausbreitung der im Boden verbleibenden Wurzelreste auszuräumen. Durch diese Maßnahme wird zumindest die Zersetzung der im Boden verbliebenen Baumteile positiv gefördert.
Ob eine solche Maßnahme tatsächlich notwendig ist, sollte auch anhand der zu erwartenden Menge der verbleibenden Baumteile und des daraus resultierenden Risikos für das betreffende Bauwerk abgeschätzt werden. Je älter ein entnommener Baum war, desto größer wird in aller Regel auch die Baumstubbe sein, mit ihr die unterirdische Masse und damit die Menge der in den Wurzelgeweben eingelagerten Reserven, die zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels herangezogen werden.
Damit einhergehend kann, zumindest zeitlich begrenzt, eine moderate Umfangserweiterung älterer Wurzeln angenommen und zugleich ein Längenzuwachs jüngerer Wurzeln nicht sicher ausgeschlossen werden. Eine weitere Ausbreitung des Wurzelsystems ist jedoch die am wenigsten wahrscheinliche Reaktion, solange neue Sprosse konsequent entfernt werden. Daher stellt die Entnahme eines Baumes durch Fällung in den allermeisten Fällen einen ausreichenden Schutz vor der Ausweitung vorhandener oder der Entstehung weiterer Schäden durch dessen Wurzeln dar.
Eine fachliche Notwendigkeit zur zusätzlichen Rodung der Stubbe bestehtzumindest mit Blick auf die aktive Tätigkeit der im Boden verbleibenden Wurzeln, in den wenigsten Fällen.