SCHUTZ VOR STREUSALZ
Quelle: TASPO BaumZeitung, 04/2014, S. 22-25
Dipl.–Biol. Dr. Markus Streckenbach, Dipl.-Ing. Klaus SchröderDie Gesamtmenge der aufgebrachten Streusalze steigt seit Jahren stetig an – trotz des vielerorts differenziert durchgeführten Winterdienstes. Die Folgen für die Vegetation können verheerend sein. An einem Baumstandort auf einem zentral gelegenen Platz wurde nun ein Versuch mit Dichtungsmaterialien zum Schutz des Baumes gestartet.
Einleitung
Das im Winterdienst gebräuchlichste Streusalz ist denaturiertes Steinsalz, welches für diesen Zweck idealerweise einen Natriumchlorid-Gehalt von etwa 98 % aufweist. Natriumchlorid ist für die Existenz höherer Lebewesen essentiell. So besitzt ein Mensch durchschnittlich etwa 0,9 % davon in seinem Körper und verliert zwischen 3 und 20 g pro Tag. Es entsteht somit ein Defizit, welches täglich ausgeglichen werden muss. Als Kochsalz ist Natriumchlorid (NaCl) heutzutage sprichwörtlich "in aller Munde". Die Aufnahme von Salz sollte indes den tatsächlichen Bedarf nicht wesentlich überschreiten, da es Krankheiten fördern und, in einem größeren übermaß aufgenommen, sogar als lebenszerstörend gilt. Somit kann Salz zu einem Fluch werden – für Menschen und Bäume gleichermaßen.
Die bei uns üblichen Straßenbäume weisen unterschiedliche, natürlicherweise vorkommende Gehalte von NaCl in ihrem Zellsaft auf und besitzen unterschiedliche Toleranzen gegenüber Salzkonzentrationen [1]. In einer kürzlich durchgeführten Analyse des Salzgehaltes im Laub und im Boden des Wurzelbereiches einer Linde nennt der Gutachter die für Linden als "normal" anzusehenden Gehalte für Chlorid in den Blättern etwa 1.000 mg/kg und für Natrium etwa 500 mg/kg [4]. Im Gewebe des untersuchten Laubes wurden allerdings 19.816 mg Chlorid/ kg und 14.080 mg Natrium/kg nachgewiesen. In der Bodenprobe waren es immerhin – trotz der Auswaschungsvorgänge während der bis dahin vergangenen Monate – noch immer 128 mg Natrium/kg.
Die Gesamtmenge der aufgebrachten Streusalze steigt seit Jahren und trotz des vielerorts differenziert durchgeführten Winterdienstes stetig an. Hinzu kommt insbesondere an Orten mit hohem Publikumsverkehr der oft vollständig undifferenzierte Einsatz von Auftausalz. Die Folgen für die Vegetation können verheerend sein. Für die betroffenen Bäume, die in solchen Umgebungen wachsen müssen, bedeutet die Salzbelastung des Bodens Dauerstress und oft sogar den Tod. Vor einiger Zeit tauchten Berichte darüber auf, dass Geologen eine immer stärkere Versalzung des Untergrundes beklagen und selbst Wasserproben aus über 100 m Tiefe auf einen grenzwertigen Natriumchlorid-Gehalt hin analysiert werden müssen.
Der Weg und die Wirkung eines Taumittels lassen sich am Beispiel des am häufigsten eingesetzten Salzes, Natriumchlorid, in groben Zügen wie folgt skizzieren.
Die Wirkung des Tausalzes
Am Baumstandort sickert das salzhaltige Tauwasser in den Boden, in dem insbesondere die Natrium-Ionen von den Bodenpartikeln zurückgehalten werden (Adsorbtion). Während sich somit ein Teil der Natrium-Ionen im Boden anreichert, wird ein weiterer Teil zugleich, wie auch die kaum im Boden zurückgehaltenen Chlorid-Ionen, von den Wurzeln der Bäume aufgenommen. Die nachhaltig negativen Effekte dieser Anreicherung auf den Boden, dessen Struktur und Eigenschaften, wie beispielsweise die Erniedrigung des Wasserpotenzials, werden zunächst außer Acht gelassen.
Da die Bestandteile des Streusalzes (NaCl) im Grunde wichtige Mikronährstoffe darstellen, wird die Aufnahme dieser Komponenten bei den allermeisten Baumarten nicht wirkungsvoll begrenzt oder gar verhindert. Einmal aufgesaugt sind die Natrium- und Chlorid-Ionen im Baum sehr mobil und gelangen zunächst mit dem Wasserstrom in die Baumkrone, wo ihr überschuss zu Störungen wichtiger Stoffwechselvorgänge führt. Größere Probleme entstehen zudem, wenn zur gleichen Zeit kein adäquater Nachschub an anderen lebenswichtigen Elementen, in Form von Ionen, aus dem Boden stattfindet. Der Mangel an essentiellen Nährstoffen schwächt den Baum, ist jedoch bis zu einem gewissen Grad umkehrbar. Sofern der Nachschub an NaCl aus dem Boden verringert beziehungsweise unterbrochen wird, können sich Laubbäume durch den Abwurf ihres nun salzbelasteten Laubes allmählich dieses überschusses entledigen.
Bei andauernder Zufuhr von NaCl wird die Photosynthese-Leistung eines Baumes durch die Anreicherung von Salz und einem Mangel an Nährelementen jedoch nachhaltig deutlich verringert. Schließlich kommt es zu einer Einlagerung des NaCl in die Gewebe der Bäume und zur Ausbildung der weiteren bekannten Schäden: Einem verspäteten Austrieb, Nekrosen der Blattränder und einem viel zu frühem Laubfall – oft schon im August und zuweilen einem erneuten, zweitem Austrieb in demselben Jahr [6].
Daraus ergibt sich, dass es oberstes Gebot sein muss, den Boden am Standort eines Baumes vor Streusalz und salzhaltigem Tauwasser zu schützen. Tatsächlich können sich auch die salzhaltigen Sprühnebel des vorbeiziehenden Verkehrs negativ auf die Gesundheit eines Baumes auswirken. Ein Mindestabstand von drei Metern von den gestreuten Fahrbahnen stellt ein ausreichendes Maß dar, um den negativen Einfluss des Sprühnebels auf die Bäume tatsächlich gen Null zu bewegen [5]. Doch ist das in unseren engen Städten überhaupt möglich?
Es ist ein Teufelskreislauf der in Gang gesetzt wird, wenn das streusalzhaltige Wasser in den Wurzelbereich eines Baumes und so in die Pflanze gelangt. Der Einsatz alternativer und abstumpfend wirkender Streumaterialien wie Sand, Splitt oder fein gebrochenem Blähton wird empfohlen und das dichte Verstreichen der Fugen in Bordsteinen kann das Eindringen von Salzwasser minimieren. Wenn es jedoch nicht gelingt, den Einsatz von Streusalz auf Gehwegen, die in Bezug auf den Gasaustausch am Standort eine große Rolle spielen, drastisch zu begrenzen, von wirklichen Ausnahmesituationen wie "Eisregen" abgesehen, ist davon auszugehen, dass wir in den vor uns liegenden Wintern eine weiter steigende Anzahl von Bäumen verlieren werden.
Der Schutz von Baumstandorten kann mechanisch, das heißt durch die (saisonale) Errichtung von Barrieren erfolgen. Hierfür kann auf eine Vielzahl verschiedener Materialien zurückgegriffen werden oder es können fertige Systeme zum Einsatz kommen. Stets ist jedoch darauf zu achten, dass das Schmelzwasser nicht in die Baumscheibe sickert.
Auch für die Sanierung von Baum- standorten sind einige Möglichkeiten bekannt und erfolgreich realisiert worden. Sie reichen von der Ausspülung der verbliebenen Chlorid-Ionen und die Gabe von zusätzlichem Kalium [5] bis hin zur optimalen Versorgung des Bodens mit Humus und der Bindung der Chlorid-Ionen an diese Stoffe [3]. All diese Möglichkeiten verbindet die zeitliche Komponente, denn sie wirken am besten, wenn die Bäume an den zu schützenden oder zu sanierenden Standorten noch nicht zu viel Streusalz aufgenommen haben.
Müssen in Anbetracht der bedenklichen Realitäten die Wurzelräume unserer Straßenbäume zukünftig nicht am besten wasser- und luftundurchlässig ausgebildet werden, um das Eindringen von auftausalzhaltigem Wasser zu unterbinden? Die ersten diesbezüglichen überlegungen, Dichtungsmaterialien zum Schutz der Bäume zu verwenden, wurden bereits angestellt und auf einem zentral gelegenen Domplatz in einer westfälischen Großstadt, der sich bei Anwohnern und Besuchern der Stadt großer Beliebtheit erfreut, ausprobiert.
Das Pilotprojekt
Zahlreiche Lokale säumen den Platz und laden vor einem Bestand aus Linden zum Verweilen ein. Zudem findet zweimal wöchentlich ein gut frequentierter Wochenmarkt statt, wobei der Platz zwischen den Bäumen bis an deren Stämme heran genutzt wird. Diese sind jeweils durch einen Stammschutz, welcher den offenen Bereich der Baumscheibe mit einschließt, vor mechanischen Beschädigungen geschützt. Während die Bäume oberirdisch vor mechanischen Einflüssen geschützt sind, zeugt ihr Habitus, der bei fast allen Bäumen von Kleinlaubigkeit, Blattrandnekrosen, Wipfeldürre und Kurztriebigkeit gekennzeichnet ist, von den weitreichenden Problemen im Boden an ihren Standorten.
Die Pflanzgruben der Bäume und der daran anschließende, ihnen potenziell zur Verfügung stehende Wurzelraum, liegen unter einer Pflasterung mit wasser- und gasdurchlässigen Fugen. Es können somit große Wassermengen, die bei Starkregenereignissen niedergehen, über die Gesamtfläche des Platzes aufgenommen und langsam abgeführt werden. Dadurch, dass der Eintritt des Oberflächenwassers ermöglicht wird, besteht jedoch zugleich die Gefahr, dass auch salzbelastetes Tauwasser in den Boden und in die Bäume gelangt.
Hohe Salzmengen in den letzten Wintern und zu geringe Niederschlagsmengen in den zurückliegenden Sommern haben dazu geführt, dass sich der Allgemeinzustand der Linden auf dem Domplatz verschlechtert hat. Bei einigen Bäumen blieb nur noch deren Entnahme und die anschließende Neupflanzung, wobei die verbliebenen Wurzelballen eingehend begutachtet werden konnten. Zu diesem Termin ergab sich zudem die Gelegenheit einer angeregten Diskussion zwischen Vertretern der Stadt und Baumsachverständigen. Gewillt, sich der besonderen Herausforderung zu stellen, einigte man sich darauf, gemeinsam eine geeignete Lösung an einem ausgewählten Baum auf dem Domplatz zu erproben.
Individuelles Sanierungskonzept
In der Folgezeit wurde ein individuelles Sanierungskonzept erarbeitet, welches insbesondere zwei Sachverhalte berücksichtigen musste [2]: zum einen der unbedingte Erhalt der his- torischen Pflasterung am Baumstandort und zum anderen, dass im Bereich des Baumes auch weiterhin die massive Ausbringung von Auftausalz anzunehmen ist. Unter diesen Aspekten entstand ein Plan zur Sanierung eines Baumstandortes unter Zuhilfenahme von Substraten.
Die Entscheidung zum Austausch des vorhandenen Bodens gegen ein unbelastetes Substrat fiel insbesondere aufgrund der Analysedaten, die für das Fugenmaterial am Standort Werte, vergleichbar mit jenen reinen Salzes und für den vorhandenen Boden am Standort unter anderem massiv überhöhte Natrium-Werte ergeben hatten. Obwohl der Boden-/Substrataustausch eine vergleichsweise aufwändige Methode darstellt, ergibt sich hierbei zugleich die Möglichkeit, die Eigenschaften des Baumstandortes dauerhaft zu optimieren.
Dies wurde durch den Einbau von grobkörnigem Material, das als Stützgerüst die oberflächlichen Lasten in den Untergrund abträgt, und ein dazwischen eingearbeitetes Feinbodengemisch, realisiert. Letztgenanntes wurde zudem durch die Zugabe einer Starterdüngung und Mykorrhiza-Pilzen aufgearbeitet. Die Belüftung des Wurzelraumes wurde durch ein ringförmiges System aus Drainagerohren sichergestellt. Parallel hierzu wurde ein weiterer Drainagestrang oberhalb des Wurzelraumes zur Bewässerung installiert.
Im Bereich des äußeren Randes des Wurzelraumes wurde eine Möglichkeit zur Ableitung von überschüssigem und auch von streusalzbelastetem Wasser eingebaut. Dies erfolgte, da die Pflasterung oberhalb des neu geschaffenen Wurzelraumes mit wasserundurchlässigem Fugenmaterial ausgebildet wurde. Das zu erwartende Tauwasser kann somit nicht mehr von oben in den Wurzelraum der Linde versickern. Stattdessen gelangt das Tauwasser an den Rändern des Wurzelraumes in die Tiefe, wo es dann abschließend von dem umlaufenden Drainagestrang in einer Vorfluter abgeführt wird.
Im Rahmen einer Mitarbeiterschulung der QBB (Qualitätsgemeinschaft Baumpflege nd Baumsanierung e.V.) wurden den Teilnehmern die Herangehensweise sowie die Umsetzung des Sanierungskonzeptes erläutert. Vor den kritischen Augen der Fachteilnehmer wurde der neu zu schaffende Wurzelbereich schonend mit Hilfe eines Saugbaggers freigelegt. Das daraufhin ersichtliche Wurzelsystem der Linde zeigte sich in dem erwartet schlechten Zustand. Dieser war – bedingt durch den schädigenden Einfluss des Auftausalzes und der zusätzlichen Bodentrockenheit – vor allem durch ein stark eingeschränktes Auswurzelungsverhalten sowie eine auffallend geringe Feinwurzelausbildung gekennzeichnet.
Es ist zu hoffen, dass die auf dem Domplatz vorgenommene Sanierung des Baumstandortes rechtzeitig genug erfolgte und zu einer Erholung der Linde führt. Der Erfolg (oder Misserfolg) der Maßnahmen, die im Sommer 2013 durchgeführt wurden, soll durch ein begleitendes Monitoring des Baumes dokumentiert und durch weitere Veröffentlichungen in der Fachöffentlichkeit diskutiert werden. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse kann dieses Konzept der Standortsanierung dann gegebenenfalls an weiteren Bäumen Anwendung finden.
Literatur
[1] GALK – STÄNDIGE KONFERENZ DER GARTENAMTSLEITER BEIM DEUTSCHEN STÄDTETAG - Arbeitskreis Stadtbäume (2013): GALK-Straßenbaumliste.[2] HILMER, M.; SCHRÖDER, K.; STRECKENBACH, M. (2013): Sanierungskonzept einer streusalzgeschädigten Linde. Unveröffentlicht.
[3] KUTSCHEIDT, J. (2011): Vortrag über verschiedene Bodenhilfsmittel im Rahmen "10 Jahre Eichhorn Baumpflege", Hörstel.
[4] MEYER-SPASCHE, H. (2012): Pflanzen – und Bodenanalyse (Analysenreporte Auftrags-Nr.: 18241 und 182719), Institut Dr. Meyer-Spasche - Boden Pflanze Wasser, Speziallabor für Pflanzenernährung. Unveröffentlicht.
[5] MEYER-SPASCHE, H. (1999): Zur Auswirkung von Streusalz (NaCl) auf Boden und Vegetation. Tagungsband der 17. Osnabrücker Baumpflegetage.
[6] RUGE, U. (1978): Physiologische Schäden durch Umweltfaktoren. In: Meyer, F. H. (Hrsg.): Bäume in der Stadt. Ulmer, Stuttgat 121-181.