DIE ZUKUNFT INNERSTÄDTISCHER BAUMSTANDORTE

Quelle: ProBaum 2011, Heft 1, S. 2-6
Dipl.–Biol. Dr. Markus Streckenbach

Die geplanten Maßnahmen zur Milderung der Folgen des Klimawandels umfassen in allen Bereichen eine Förderung der urbanen Vegetation. Dem Handlungsbedarf steht jedoch eine Reihe von bislang ungelösten Fragestellungen gegenüber, die von der zukünftigen Artauswahl bis hin zur Gestaltung von Baumstandorten reicht. Um die hohen an sie gerichteten Anforderungen zu erfüllen, müssen die Lebensbedingungen für Bäume an ihrem Standort ober- und unterirdisch so beschaffen sein, dass sowohl die Entwicklung und Entfaltung der Gehölze optimal gewährleistet ist, als auch mögliche Konflikte zwischen Bäumen und technischer Infrastruktur vermieden werden.


Wurzelentwicklung im Straßenraum

Während der oberirdische Raumbedarf sich entwickelnder Baumkronen, auch in innerstädtischen Bereichen, in aller Regel gedeckt werden kann, sind der Ausbreitung der unterirdischen Pflanzenorgane durch die sie umgebenden Substrateigenschaften und technischen Einrichtungen enge Grenzen gesetzt. Hieraus ergeben sich nicht nur hinsichtlich ihrer Entwicklung und Vitalität nachteilige Effekte für die Gehölze. Im Schadensfall, der sich aus der Interaktion von Wurzeln mit unterirdischer technischer Infrastruktur ergeben kann, wird den Bäumen zudem oftmals unterstellt, die Situation durch ein aggressives Wurzelverhalten hervorgerufen zu haben.

Die Gründe, welche zum Einwachsen von Baumwurzeln in Abwasserleitungen führen, sind indes in den Eigenschaften des Boden-Rohr-Systems zu suchen. Hierbei kommt dem im Leitungsbau verwendeten Bettungsmaterial eine wichtige Rolle zu. Da das Volumen der Krone in einem ausgewogenen Verhältnis zum Volumen der Wurzelmasse steht, geht die Expansion des “oberirdischen Baumes” mit der Expansion des “unterirdischen Baumes” einher [3]. Dem Entsprechend müssen die Wurzeln nach einer gewissen Standzeit die Pflanzgrube verlassen, um neue Bodenbereiche zu erschließen.

Im Straßenraum ist der Wurzelbereich straßenseitig durch den Ober- und Unterbau im Bereich der Fahrbahn begrenzt. Aufgrund der dort für das Wurzelwachstum hinderlichen Substrateigenschaften, dringen Wurzeln nur selten in den zentralen Straßenkörper ein. In dieser Situation bleibt den Wurzeln lediglich der gehwegseitige Raum zur Entwicklung eines angemessenen Wurzelsystems. Dieser an die Pflanzgrube anschließende Raum ist dadurch gekennzeichnet, dass sich kleinräumig verändernde Wachstumsbedingungen ergeben, welche durch inhomogene Bodenbereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften hervorgerufen werden. Die Bodeneigenschaften beeinflussen maßgeblich auch die Form eines Wurzelsystems, so dass sich in Abhängigkeit der umgebenden Parameter, von der “Idealform” abweichende Systeme ausbilden können [5].

Der Bereich unterhalb von Gehwegen wird gleichzeitig auch zur Unterbringung von Ver- und Entsorgungsleitungen genutzt. Die Herstellung von Kanalisationen in offener Bauweise fordert nach DIN EN 1610 Substrateigenschaften, die mitunter sehr deutlich von denen abweichen können, welche beispielsweise nach den Empfehlungen der FLL oder der ZTV-Vegtra-Mü für ein gesundes Wurzelwachstum gefordert werden [7]. Sich entwickelnde Wurzeln von Straßenbäumen wachsen nach dem Verlassen der Pflanzgrube zwangsläufig auch in Leitungsgräben ein. Dort bieten die Leitungszonen, vor allem jedoch die Bettungsmaterialien der Leitungen den Wurzeln vergleichsweise gute Wachstumsbedingungen [9].


Wurzelraumerweiterung

Da sich das Einwachsen von Baumwurzeln in Leitungsgräben ohnehin nicht bzw. nur mit einem erheblichem technischen und finanziellen Aufwand verhindern lässt, ist darüber nachzudenken, ob der Leitungsgraben als Wurzelbereich freigegeben werden kann. Neben anderem erfordert dieser Schritt auch den Einbau entsprechender Leitungsschutzmaßnahmen im Bereich der Leitungszone. Es ist bekannt, dass sich die Wachstumsrichtung von Wurzeln durch geeignete Substrate beeinflussen lässt [4]. Da dies auch in kleinformatigen Versuchsreihen mit Bettungsmaterialien bestätigt werden konnte [12], besteht Grund zur Annahme, dass sich sowohl das Einwachsen von Wurzeln in Leitungssysteme als auch eine Erweiterung des Wurzelbereiches in den Leitungsgraben Ressourcen schonend mittels natürlicher Substrate realisieren lässt.


Der Einfluss unterschiedlicher Bettungsmaterialien auf das Wurzelwachstum

Die zur Vertiefung dieses Ansatzes notwendige Erkenntnisse aus Versuchen im Maßstab 1:1 mit variierenden Bettungsmitteln fehlten jedoch bislang. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum, Bauingenieuren des Instituts für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen und Mitarbeitern des Eigenbetriebs Grünflächen und Friedhöfe der Stadt Osnabrück (seit Januar 2010: Osnabrücker ServiceBetrieb), ergab sich jedoch die Möglichkeit einen derartigen Langzeitversuch auszuwerten.

Der Versuchsstand wurde bereits 1997 auf einem Betriebsgelände der Stadt Osnabrück angelegt, um den Einfluss von Füllmaterialien in Wurzelgräben auf das Wurzelwachstum zu überprüfen. Der Versuchsaufbau bestand aus insgesamt 21 Bäumen, jeweils 7 Exemplaren der Arten Fraxinus excelsior L., Platanus x acerifolia und Tilia x intermedia cv. ‘Pallida’. Die Bäume wurden in speziell vorbereitete kreuzförmige Pflanzgruben eingesetzt, deren Kerne ein Volumen von jeweils 1 m3 besaßen. Von diesen Zentren gingen kreuzweise, jeweils vier 1 m lange, 0,5 m breite und 1 m tiefe Wurzelgräben ab.

Die Innenräume der Pflanzgruben wurden mit Unter- und Obersubstraten verfüllt und anschließend bepflanzt. Sowohl das verwendete Unter- als auch das Obersubstrat waren Mischungen nach, in der Stadt Osnabrück praxiserprobten und bewehrten Rezepturen, deren Hauptbestandteile Eifellava, Sand und Kompost bzw. Perlite zu unterschiedlichen Teilen (Vol.-%) und Körnungen bildeten [8]. Die Wände der Gräben wurden zum Teil mit Kunststofffolien versehen und anschließend mit den vier unterschiedlichen Substraten, die sich im Rahmen anderer Maßnahmen als gut durchwurzelbar erwiesen hatten, verfüllt:

    (I) Schotter / Karbonquarzit, Ø 16 - 32 mm
    (II) Groblava (Eifel), Ø 100 - 150 mm
    (III) Groblava-Feinboden (Feinboden eingeschlämmt)
    (IV) Groblava-Feinboden (gemischt über Schüttkegel)

Der Einbau dieser Füllmaterialien erfolgte jeweils entgegen dem Uhrzeigersinn in der Reihenfolge: I – II – III – IV. Nach der Verdichtung mit einer Rüttelplatte wurden einige Gräben oberflächlich mit Kunststofffolien abgedeckt und abschließend mit einer 5 cm starken Sandschicht zur Simulation von Luftabschluss versehen. Das Obersubstrat im Zentrum der Pflanzungen wurde abschließend mit Rindenmulch bedeckt.


Durchwurzelungsverhalten von Wurzelgräben

Im Rahmen eines Teilprojektes wurden nach einer Standzeit von 10 Jahren die Wurzelräume ausgewählter Gehölze dieser Versuchsanlage freigelegt [10]. Die Öffnung der Wurzelgräben erfolgte sektorenweise unter dem Einsatz einer Druckluftlanze. Nach der Entfernung der Seitenwände konnte das Füllgut aus den Gräben gespült werden, die Freilegung der Wurzelsysteme im Zentrum der Pflanzgruben erfolgte ebenfalls mit einem Wasserstrahl. Entgegen den Erwartungen waren nur einige Wurzeln wenige Zentimeter in die Grabenfüllmaterialien eingewachsen. Stattdessen erfolgte das Wachstum der Wurzeln, welche sich in Richtung der Wurzelgräben entwickelt hatten, vorrangig an den Grenzflächen zwischen den eingesetzten Kunststofffolien und dem anstehenden Boden. Die Hauptmasse der Wurzeln befand sich jeweils im Zentrum der Pflanzgrube.

Die geöffneten Standorte ließen erkennen, dass Grenzflächen im Boden aufgrund ihrer Eigenschaften bevorzugt durchwurzelt werden, selbst wenn das anstehende Substrat optimale Wachstumsbedingungen bietet. Des Weiteren konnte die Ausbildung von sehr ähnlich aufgebauten Wurzelsystemen bei den untersuchten Pflanzungen beobachtet werden. Infolge einer geänderten Nutzungsplanung der Fläche, auf der die Bäume bisher standen, wurden diese im Winterhalbjahr 2009/2010 an einen neuen Standort gepflanzt. Durch die Entnahme der Bäume mittels einer Rundspatenmaschine ergab sich die Möglichkeit, die Verteilung der Wurzeln in den unterschiedlichen Füllmaterialien an den Enden der ausgesparten Wurzelgräben zu erfassen. Die Analyse des bis dahin erfolgten Wurzelwachstums diente sowohl der Überprüfung der bisherigen Beobachtungsergebnisse, als auch der Vorbereitung zur präzisen Platzierung von Versuchsleitungen in der neu anzulegenden Versuchsanlage. Während der Versuchsdauer war der Verlust von insgesamt 3 Bäumen zu verzeichnen, welche durch jüngere Gehölze ersetzt wurden.

Ergebnisse des Langzeitversuchs

Nach der Entnahme eines Baumes folgte jeweils die Begutachtung der Wurzelgrabenfragmente in der Pflanzgrube. Im Bereich der Gräben gewachsene Wurzeln wurden durch das manuelle Ausräumen der jeweiligen Füllmaterialien freigelegt und fotografisch dokumentiert. Die während der Verpflanzung in den Grabenfragmenten erhalten gebliebenen Wurzeln zeigten sowohl in Ihrer Anzahl, als auch in der Verteilung sowie in ihrer Stärke (Durchmesser) eine hohe Variationsbreite. Der größte Feinwurzelanteil wurde im ehemaligen Zentrum der Pflanzgruben beobachtet, d.h. in einem Umkreis von etwa 0,5 m vom Stamm und bis in eine Tiefe von etwa 1 m. Bei dem die Versuchspflanzung umgebenden anstehenden Substrat handelte es sich einen bindigen, schwach tonigen Lehm.


Wurzelwachstum außerhalb der Wurzelgräben

Bei fünf Bäumen wurden oberflächlich wachsende Starkwurzeln mit Durchmessern über 2 cm (max. 10 cm) beobachtet. Bei 20 verpflanzten Bäumen wurden nach deren Entnahme Starkwurzeln mit Durchmesser bis zu 8 cm im Oberboden, d.h. bis in eine Tiefe von etwa 15-20 cm, ersichtlich. Diese hatten sich hauptsächlich in den Zwickeln zwischen den Wurzelgräben entwickelt. Tendenziell war eine erhöhte Anzahl von im Oberboden entwickelten Starkwurzeln bei den Gehölzen zu beobachten, bei denen auf den Einbau von Folien verzichtet wurde. Eine Ausnahme hiervon bildeten die vier, im Gegensatz zu den übrigen Gehölzen jüngeren Ersatzpflanzungen auf dem Gelände mit entsprechend schwächer ausgebildeten Wurzelsystemen. Das Vorkommen von Starkwurzeln (Ø › 2 cm) in einer Tiefe von 150 cm beschränkte sich generell auf wenige beobachtete Einzelfälle.


Wurzelwachstum im Bereich der Substrate / Schutzfolien

Mit Ausnahme der drei oben genannten Ersatzpflanzungen, konnte das Wurzelwachstum von 18 Gehölzen der Versuchsanlage wie folgt vergleichend betrachtet werden:

    Bei insgesamt drei Gehölzen wurde in keinem Grabenfüllmaterial die Ausbildung von Feinwurzeln und/oder stärkeren Wurzeln (Ø › 1 cm) beobachtet. Hierbei muss Exemplar gesondert betrachtet werden, da bei diesem nach dem Ausheben ein Graben nur noch fragmentarisch vorhanden war.
    Bei insgesamt fünf Gehölzen wurde in keinem Grabenfüllmaterial die Ausbildung von stärkeren Wurzeln (Ø › 1 cm) beobachtet. Bei diesen Bäumen konnten ebenfalls keine stärkeren Wurzeln an den Grabenwänden beobachtet werden. Hierbei muss ebenfalls ein Exemplar gesondert betrachtet werden, da dort zwei Gräben nur fragmentarisch vorhanden waren.
    Bei insgesamt 13 Gehölzen wurde die Ausbildung von stärkeren Wurzeln in den Gräben und/oder an den Grabenwänden beobachtet. Tendenziell wurden dabei im Bereich der Grabenwände mehr Wurzeln beobachtet als in den Grabenfüllmaterialien. Von diesen 13 Gehölzen wurden bei fünf Bäumen stärkere Wurzeln im Bereich der Grabenwände beobachtet. Die Ausbildung von stärkeren Wurzeln in den Grabenfüllmaterialien konnte bei diesen fünf Exemplaren jedoch nicht beobachtet werden.
    Das Vorkommen von stärkeren Wurzeln in den Gräben, ohne dabei stärkere Wurzeln im Bereich der Grabenwände ausgebildet zu haben beschränkte sich auf zwei Gehölze. Hierbei muss ein Exemplar gesondert betrachtet werden, da bei diesem nach dem Ausheben nur zwei Gräben erhalten waren.

Bei Betrachtung des Wurzelwachstums in den verschiedenen Grabenfüllmaterialien, lassen sich folgende Tendenzen aufzeigen:

    Das gehäufte Auftreten von Feinwurzeln in den Materialien I und IV (Schotter bzw. Groblava-Feinboden, gemischt über Schüttkegel) war gegenüber den Materialien II und III (Groblava bzw. Groblava-Feinboden, eingeschlämmt) leicht erhöht. Dieser Unterschied war jedoch bezogen auf die generelle Ausbildung von Feinwurzeln in den verwendeten Substraten nicht signifikant.
    Die Ausbildung von stärkeren Wurzeln war in Substrat I (Schotter) besonders ausgeprägt. Dem gegenüber steht das beobachtete Fehlen von stärkeren Wurzeln in Substrat IV (Groblava-Feinboden, gemischt über Schüttkegel).
    Die Ausbildung von stärkeren Wurzeln im Bereich der Grabenwände zeigte sich sowohl von dem jeweils verwendeten Grabenfüllmaterial als auch durch das Vorkommen bzw. das Fehlen von Kunststofffolien unabhängig.

Baumartbedingte Unterschiede:

    Die Ausbildung von Feinwurzeln in den Grabenfüllmaterialien war bei den Exemplaren der Gattung Tilia deutlich geringer ausgeprägt als bei den Exemplaren der Gattungen Fraxinus und Platanus. Die meisten Feinwurzeln wurden in den Wurzelgräben der Platanus-Pflanzungen beobachtet.
    Die Ausbildung von stärkeren Wurzeln in den Grabenfüllmaterialien war bei den Exemplaren der Gattung Tilia und Fraxinus deutlich geringer ausgeprägt als bei den Exemplaren der Gattung Platanus. Gleiches gilt für die Ausbildung von stärkeren Wurzeln im Bereich der Grabenwände.

Bewertung

Eine abschließende Bewertung der Untersuchungsergebnisse wird durch die Tatsache erschwert, dass sich die Wurzelsysteme von Gehölzen auch unter natürlichen Bedingungen selten gleichmäßig radial ausbreiten. Zu Berücksichtigen ist ebenfalls die Möglichkeit, dass Wurzeln eine einmal eingeschlagene Wachstumsrichtung zugunsten eines neuen Weges bzw. zugunsten entfernter Wurzelbereiche aufgeben können. Daher muss ungeklärt bleiben, wie weit die Ausbildung asymetrischer Wurzelsysteme für das Vorkommen bzw. das Fehlen von Wurzeln in den Grabenfüllmaterialien sowie im Bereich der Grabenwände verantwortlich war.

Die wiederholte Beobachtung der Ausbildung von Wurzeln in verschiedenen Bereichen der Versuchsanlage lässt jedoch generelle Rückschlüsse auf das Wurzelwachstum in Abhängigkeit der variierenden Parameter (Grabenfüllmaterialien, Einbau bzw. Verzicht von Schutzfolien) zu. Diese werden durch einzelne, während der Aufgrabungen gemachte Beobachtungen gestützt und erlauben das Aufzeigen von Wachstumsmustern. Die Konzeption der Versuchsanlage ermöglichte jedoch keine darüber hinaus gehenden Aussagen, mit deren Hilfe sich beispielsweise die in der Summe auffallend geringe Ausbildung von Wurzeln in den verwendeten Substraten erklären lassen.

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass das Vorhandensein der Schutzfolien keinen maßgeblichen Einfluss auf die beobachtete bevorzugte Entwicklung von Wurzeln an den Grabenwänden hatte. Ausschlaggebender schien hierfür die Präsenz von ausgeprägten Porensprüngen (Grenzflächen) zu sein, wie es in einzelnen Wurzelgräben sehr deutlich beobachtet werden konnte. Im Wurzelbereich dieser Versuchspflanzungen kam es trotz des Verzichts auf den Einbau von Folien zu einer erkennbaren Bevorzugung des Wurzelwachstums an den Grabenwänden.

Die Beobachtung, das Kunststoffbarrieren im Wurzelraum von Gehölzen keine Notwendigkeit zur Beeinflussung des Richtungswachstums von Wurzeln darstellen gibt dem Ansatz, für eine effektive Verhinderung von Durchwurzelungsschäden im Wesentlichen auf natürliche Substrate zurückgreifen zu können, grundsätzlich recht. Nicht außer Acht gelassen werden darf jedoch die anhand der Untersuchung leider nicht zu beantwortende Frage nach den Gründen, welche zur allgemein geringen Durchwurzelungsintensität der praxiserprobten Substrate geführt haben.


Neue Versuchsanlage zur Erprobung geeigneter Substrate

Die bisherigen Untersuchungsergebnisse reichen derzeit noch nicht dafür aus, um abschließende Empfehlungen zur Verhinderung von Wurzeleinwuchs in Rohrverbindungen unter Verwendung natürlicher Substrate auszusprechen. Die Erkenntnisse dieser und weiterer Versuchsreihen des durchgeführten Forschungsprojektes bilden daher die Grundlage eines Langzeitversuches welcher aktuell in der Stadt Osnabrück durchgeführt wird (vgl. [11]). Die bestehende Kooperation zwischen Naturwissenschaftlern, Bauingenieuren und der Stadt Osnabrück wird dabei durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Unter realen Bedingungen wird dort die Entwicklung wurzelfester Bettungen für Leitungen verfolgt. Diese Art des Leitungsschutzes bildet die Grundlage der Überlegung den Wurzelraum zukünftig in den Bereich des Leitungsgrabens zu erweitern. In einem nächsten Ansatz ist darüber hinaus geplant, Elemente aus dem Bereich der Regenwasserbewirtschaftung in einen Versuchsaufbau zu integrieren. Schon jetzt laufen die zahlreichen Ergebnisse des Verbundprojektes an geeigneten Stellen zusammen und fließen unter anderem in die Regelwerksarbeit ein, so beispielsweise in die Überarbeitung der DWA-ATV-H 162. Sicher ist bereits jetzt, dass die Verminderung des Konfliktpotentials zwischen Baumpflanzungen und der weiteren vielfältigen Nutzung des Straßenraumes nicht nur zu finanziellen Einsparungen führt, sondern eine Steigerung der allgemeinen Lebensqualität nach sich zieht, die letztendlich allen zu Gute kommt.



Literatur
[1] DIN – Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.) (1997): DIN EN 1610. Verlegung und Prüfung von Abwasserleitungen und -kanälen. Deutsche Fassung EN 1610:1997, Beuth, Berlin, 25 S.

[2] FLL – Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (Hrsg.) (2010): Empfehlungen für Baumpflanzungen, Teil 2: Standortvorbereitungen für Neupflanzungen; Pflanzgruben und Wurzelraumerweiterung, Bauweisen und Substrate. FLL, Bonn, 62 S.

[3] Groff, P. A.; Kaplan, D. (1988): The relation of root systems to shoot systems in vascular plants. The Botanical Review, 54:387-422.

[4] Heidger, C. (2004): Vermeidung von Schäden im Erd- und Straßenbau durch Straßenbäume: Sind Wurzeln lenkbar?. Straßen- u. Tiefbau, 58(4):3-8.

[5] Mickovski, S. B.; Ennos, A. R. (2003): Anchorage and asymmetry in the root system of Pinus peuce. Silva Fenn., 37(2):161-171.

[6] Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2010): Handbuch Stadtklima. Maßnahmen und Handlungskonzepte für Städte und Ballungsräume zur Anpassung an den Klimawandel. Essen, 268 S.

[7] Schönfeld, P. (2006): Baumpflanzungen in der Stadt nach den Regelwerken der FLL und ZTV-Vegtra-Mü. Veitshöchh. Ber. Landespfl., 94:11–20.

[8] Schröder, K. (1994): Vegetationstechnische Maßnahmen zur Neupflanzung von Bäumen. Dargestellt am Beispiel des Stadtplatzes Große Domsfreiheit in Osnabrück. Das Gartenamt, 43(2):73-79.

[9] Streckenbach, M.; Stützel, Th.; Bennerscheidt, C.; Schröder, K. (2007): Wurzeln und Unterirdische Infrastruktur. AFZ/Wald, 62(4):194-196.


[10] Streckenbach, M. (2009): Interaktionen zwischen Wurzeln und unterirdischer technischer Infrastruktur - Grundlagen und Strategien zur Problemvermeidung. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Biologie und Biotechnologie. download via https://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/StreckenbachMarkus/diss.pdf

[11] Streckenbach, M.; Schröder, K.; Bennerscheidt, C.; Stützel, Th. (2010a): Wurzelwachstum von Bäumen im Visier. bi GaLaBau, 1+2:36–40.


[12] Streckenbach, M.; Stützel, Th.; Bennerscheidt, C. (2010b): Aus den Augen, aus dem Sinn? Wurzelwachstum im unterirdischen Straßenraum. AFZ/Wald, 65(16):19-21.