AUFTAUSALZE IN BÄUMEN UND BÖDEN
– GRUNDLAGEN UND KONZEPTE ZUR STANDORTSANIERUNG

Quelle: Dujesiefken, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2014. Haymarket Media, Braunschweig, S. 87-101.
Dipl.–Biol. Dr. Markus Streckenbach, Dipl.-Ing. Klaus Schröder

Der Streusalzeinsatz im Winterdienst stellt eine intensiv genutzte Maßnahme gegen Schnee- und Eisglätte im Straßenraum dar. Dadurch erleiden jedoch straßenbegleitende Pflanzungen dauerhafte Schäden. Trotz des technischen Fortschritts, der einen differenzierten Winterdienst erlaubt, und zahlreicher engagierter Bestrebungen zum Verzicht auf Streusalz, erhöhen sich auch aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen die tatsächlich ausgebrachten Streusalzmengen stetig. Dementsprechend steigt vielerorts die Anzahl von durch Streusalz verursachten Baumschäden zusehends und suchen die für Umwelt und Bäume Verantwortlichen nach geeigneten Lösungen.

Da eine absolute Abkehr vom Streusalz im Straßenraum auch auf längere Sicht nicht zu erwarten ist, kann nur eine breit angelegte Aufklärung aller Beteiligten über die Auswirkungen von Auftausalzen dabei helfen, den Einsatz auf ein objektiv erforderliches Maß zu reduzieren und die richtigen Maßnahmen zum Schutz von Bäumen, Böden und Umwelt zu ergreifen.


Einleitung

Der großflächige Einsatz von Auftausalzen zur Glatteisbekämpfung findet in Deutschland seit etwa Ende der 1950er Jahre statt. Seit Mitte der 1960er Jahre werden die hierdurch entstehenden Schadensbilder, die jenen Symptomen ähneln, welche durch Dürre verursacht werden, breit in der öffentlichkeit diskutiert [30]. In den 1980er und 1990er Jahren war zuletzt ein Rückgang der Tausalzmengen zu verzeichnen und gleichzeitig rückte das Thema "Schäden durch Auftausalze" weiter in den Hintergrund. Ungeachtet dieser zunächst grundsätzlich positiven Tendenzen, ist die Menge an ausgebrachten Auftausalzen jedoch gerade in den letzten Wintern bundesweit wieder massiv angestiegen [2].

In vielen Städten mussten und müssen, weil viele Menschen unüberlegt handeln und die Bequemlichkeit der Vernunft vorgezogen wird, ungezählte ehemals schöne Bäume gefällt werden und, wenn überhaupt, die Standorte mit eine hohe technischen und finanziellen Aufwand wieder hergerichtet werden. Darum sollten uns Meldungen wie die Folgenden zu denken geben:

    In einem Beitrag des Norddeutschen Rundfunks wurde gegen Ende des Jahres 2013 darüber berichtet, dass Geologen eine immer stärkere Versalzung des Untergrundes beklagen und selbst Wasserproben aus über 100 m Tiefe auf einen grenzwertigen Natriumchlorid-Gehalt hin analysiert werden müssen.
    Stolz wird in der Neuen Osnabrücker Zeitung unter der überschrift "Salz satt und neues Räumgerät (...)" berichtet, dass Straßenmeistereien in der Region gut auf den Winter vorbereitet seien. "Der Winter darf kommen" so lautet eine Bildunterschrift. Auch von einem neuen, 60 t Streusalz fassenden Silo wird berichtet [32]. Dieses wird zwar überwiegend auf Fahrbahnen ausgebracht, aber...
    Die größte Salzlagerhalle Europas, die im Jahr 2011 im Hafen einer mitteleuropäischen Großstadt errichtet wurde, fasst unglaubliche 45.000 t Streusalz. Darüber hinaus sind im dortigen Stadtgebiet über 40 Silos vorhanden, die weitere 7.000 t Streusalz aufnehmen [26].

Mit der bisherigen Veränderung des Klimas einhergehend hat die Frequenz zugenommen, mit der es zu Jahren mit ausgedehnten, d.h. bis weit in das Frühjahr reichenden Frösten und lang anhaltend trockenen, in den darauf folgenden Sommermonaten zusätzlich heißen Perioden kommt. Diese Bedingungen erschweren die normale Entwicklung von Gehölzen zusätzlich und beeinflussen deren Vitalität nachhaltig negativ, so dass auch das Widerstandsvermögen der Bäume gegenüber weiteren schädigenden Einflüssen vermindert wird. In der Folge ist auch eine Zunahme von Schadensbildern und Krankheiten an vielen Straßenbaumarten zu verzeichnen [21].

Vor diesem Hintergrund ist die Neuaufnahme der Diskussion um den Einsatz von Auftausalzen und deren Auswirkungen auf Bäume und Böden zwingend notwendig. Die nachfolgende Betrachtung der Zusammenhänge zwischen der Applikation von Auftausalzen und dem hiervon ausgehenden Effekt auf Böden und Bäume klärt über das hohe und lang anhaltende Schadenspotenzial auf, welches der Einsatz dieser Streumittel birgt. Die abschließend angeführten Beispiele zur Möglichkeit der Sanierung von belasteten Baumstandorten bieten Lösungswege, die jedoch unbedingt einen besonnenen Umgang mit Auftausalzen voraussetzen.


Grundlagen

Im urbanen Umfeld wachsende Bäume müssen sich gegen eine Vielzahl von Widrigkeiten behaupten, denen sie am Naturstandort nicht oder in einem deutlich geringeren Ausmaß ausgesetzt sind. Somit herrscht an den allermeisten Stadtstandorten eine Grundbelastung vor, die sich nachteilig auf die Entwicklung der Gehölze auswirkt. Durch die anthropogene Nutzung dieser Bereiche kommt es darüber hinaus zu weiteren saisonalen Belastungen, welche die Vitalität von Bäumen mitunter nachhaltig schädigen. Hierzu gehört auch die regelmäßige Ausbringung von Auftausalzen im Straßenraum, deren Folgen für die Vegetation meist jedoch erst zu einem jeweils sehr viel späteren Zeitpunkt im Jahr sichtbar werden.

Die Eigenschaften eines Bodens geben den Rahmen für die Entwicklung von Gehölzen vor, weswegen der Beschaffenheit des Substrates am Baumstandort eine hohe Bedeutung zukommt [33]. Bäume nehmen einen Großteil der für ein geregeltes Wachstum notwendigen Nährelemente, zu denen auch die Salze verschiedener Mineralien gehören, in gelöster Form über ihre Wurzeln auf. Mit dem Bodenwasserstrom gelangen Nähr-Ionen in die Leitbahnen der Bäume, wobei das Selektionsvermögen von verschiedenen Parametern, wie der Temperatur, dem pH-Wert, der Eigenschaften der jeweiligen Ionen und letztendlich auch von der Baumart abhängig ist. Für die meisten der im Straßenraum angepflanzten Baumarten gilt, dass ihr durchschnittlicher pflanzenphysiologischer Bedarf an Natrium und Chlorid bereits durch normale Niederschlagsmengen gedeckt wird (Niederschlagsdeposition).

Zum Einsatz gegen gefrorenes Wasser im Straßenraum existieren verschiedene Taumittel wie beispielsweise Calciumchlorid (CaCl2), Magnesiumchlorid (MgCl2) oder Calciummagnesiumacetat ("CMA"). Diese vergleichsweise teuren Streumittel werden jedoch nur in Ausnahmefällen und dann in einem sehr geringen Umfang eingesetzt. In der Praxis gehört das Steinsalz somit bereits mengenmäßig zum gebräuchlichsten aller Auftausalze. Es besteht hauptsächlich aus dem Mineral Halit (= Natriumchlorid), d.h. zu etwa 39 % aus Natrium (Na+) und zu etwa 60 % aus Chlorid (Cl-). Da in der Hauptsache dieses Salz Verwendung findet, werden dessen Auswirkungen als Taumittel besprochen und im Folgenden die Begriffe Streusalz/Auftausalz mit dem Begriff Natriumchlorid (NaCl) gleichgestellt.


Die Wirkung von Auftausalzen auf Böden

Durch den Kontakt des Streusalzes mit Wasser entsteht eine Sole, in der sowohl das Natrium als auch das Chlorid in gelöster Form vorliegen. Gelangt das salzbelastete Tauwasser in den Boden, können sich die Natrium-Ionen aufgrund ihrer positiven Ladung an die Bodenpartikel anheften (Adsorbtion). Die negativ geladenen Chlorid-Ionen werden dagegen kaum im Boden zurückgehalten, weswegen diese leichter aus dem Boden entfernt werden können als die Natrium-Ionen. Dies geschieht z.B. durch eine ausreichende Menge an eingetragenem Regenwasser, so dass die Chlorid-Ionen verhältnismäßig rasch aus den oberen Bodenhorizonten in tiefere Schichten verlagert werden [7].

Die Natrium-Ionen werden hingegen weniger effektiv mit dem Regen- oder Gießwasser entfernt und können sich im Boden anreichern, wobei sie andere positiv geladene Ionen an den Bodenpartikeln verdrängen. Hierzu gehören auch wichtige Makronährstoffe wie Kalium, Calcium und Magnesium. Unter ungünstigen Bedingungen können Natrium- und Chlorid-Ionen mit dem verdunstenden Bodenwasser aufsteigen und im Boden akkumulieren [27]. Durch einen sich stetig wiederholenden Eintrag von Streusalz kommt es daher allmählich zu einer dauerhaften Veränderung der bodenchemischen und -physikalischen Eigenschaften [18], [36].

Die Folgen sind unter anderem Bodenverdichtungen (Verlust des Porenraumes) und eine damit einhergehende Luftarmut, Verschlämmungen (Verlust der Wasserdurchlässigkeit), ein struktureller Zerfall, d.h. die Bildung eines Einzelkörngefüges durch Dispersion der Tonminerale [9] und ein allmählicher Anstieg des Boden-pH-Wertes (Alkalisierung), wodurch einige der verbliebenen Mikronährstoffe vermehrt in schwerlöslichen Verbindungen vorliegen können und den Bäumen dann nicht mehr zur Verfügung stehen [29]. Mit einer Erhöhung der Salzkonzentration steigt der osmotische Druck der Bodenlösung, so dass schließlich die Aufnahme des Wassers und der darin gelösten Teilchen für die Wurzeln außerordentlich erschwert wird [10].

Die angesprochenen Prozesse sind nur bis zu einem gewissen Grad umkehrbar. Stark verallgemeinernd gilt, dass ab Werten von 100 mg/kg Natrium im Boden mit sichtbaren Schädigungen an Bäumen zu rechnen ist [14], wobei Arten, die weniger salzempfindlich sind, leicht höhere Werte tolerieren. Im Vergleich dazu liegt der Anteil des Natriums an unbelasteten Standorten bei etwa 10-20 mg/kg Boden. Diese Näherungswerte dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch Auftausalz gestresste Bäume bereits vor dem Eintreten sichtbarer Schädigungen (physiologische) Mängel erleiden und in ihrer Vitalität beeinträchtigt werden.


Die Wirkung von Auftausalzen auf Bäume

Mit dem belasteten Tauwasser gelangen die Natrium- und Chlorid-Ionen in den Baum. Für den Durchlass in die wasserleitenden Gefäße der Wurzeln existieren verschiedene Kanäle, von denen jedoch nur wenige spezifisch sind. Somit wird das gelöste Natriumchlorid weitestgehend ungehindert aufgenommen. Einige Baumarten, darunter viele Vertreter der Eichen, sind in der Lage die Aufnahme von Chlorid-Ionen effektiv zu unterbinden. Andere Baumarten, wie beispielsweise Platanen, besitzen eine erhöhte (physiologische) Toleranz gegenüber der durch die Aufnahme von Streusalz hervorgerufenen hohen Ionenkonzentration im Zellsaft, die es Ihnen erlaubt, die Aufnahme anderer essentieller Ionen weiterhin aufrecht zu erhalten [16].

Generell gilt, dass aufgenommene Natrium- und Chlorid-Ionen im Baum sehr mobil sind und zunächst mit dem Aufwärtsstrom in die Baumkronen und dort in die Blätter gelangen. In den Vakuolen ihrer Zellen findet die Zunahme des Gehaltes an Natrium-Ionen unter anderem zu Lasten des Gehaltes an Kalium-Ionen statt [20]. Die ansonsten in hohen Konzentrationen vorhandenen Kalium-Ionen können (funktionell) jedoch nur zu einem sehr geringen Anteil durch andere Kationen ersetzt werden [5], so dass die Verarmung an diesem Nährelement die zahlreichen Stoffwechselvorgänge, an denen es beteiligt ist, negativ beeinflusst. Zusätzlich führt eine durch das Natrium gehemmte Kalium-Aufnahme und die vergleichsweise leichte Auswaschung des wichtigen Kaliums aus geschädigten Blättern zu einer Verschärfung der Situation.

Die Chlorid-ionen haben einen großen Anteil an der toxischen Wirkung des Natriumchlorids auf Bäume, was unter anderem daran liegt, dass diese meist exzessiv und damit weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus aufgenommen werden. Eine Folge hiervon ist beispielsweise, dass der Abtransport der gebildeten Kohlenhydrate in die Speichergewebe ins Stocken gerät. Ein massiver überschuss an Chlorid-Ionen führt auch zu einer Zerstörung des Chlorophylls und in der Folge zu Absterbeerscheinungen der Blätter [5]. Hohe interne Chlorid-Gehalte benötigen zudem Kalium zur Aufrechterhaltung der pflanzeninternen Elektroneutralität [37]. Dies führt dazu, dass freie Kalium-Ionen anderen metabolischen Funktionen (z.B. der Osmoregualtion) entzogen werden. Darüber hinaus führen im übermaß aufgenommene Natrium- und Chlorid-Ionen zu einer Verringerung der Transpirationsrate [1]. Diese Prozesse beschleunigen insgesamt die Verarmung der Kohlenhydrat-Vorräte eines Baumes, so dass sich ein auf diese Weise erzeugtes Stärke-Defizit in der Folge negativ auf dessen Vitalität auswirkt [15].

Erste deutlich sichtbare Merkmale von Salzschäden sind fleckige und frühzeitig vergilbte Blätter (Chlorosen), die auf eine Unterversorgung mit Nährelementen und das überangebot von Natrium- und Chlorid-Ionen zurückzuführen sind. Absterbende Blattränder (Nekrosen) sind in der Hauptsache eine Folge der Akkumulation von Chlorid-Ionen in diesen Bereichen, da ab einem gewissen Grad ein toxisches Niveau erreicht wird. Außerdem verhindert der entstehende Mangel an Kalium-Ionen ein reguläres Schließen der Spaltöffnungen, was zu einer Degeneration der Blattzellen führt [4]. Ein frühzeitiger Laubabwurf stellt schließlich eine Welkeerscheinung dar, die aus einer erschwerten Wasseraufnahme resultiert, da auch die Nachlieferung von Wasser über die Wurzeln durch die hohe Ionenkonzentration in den Blättern gehemmt wird. Letztere zieht zudem eine verminderte Dehnungsfähigkeit der Zellwände nach sich, so dass es zu Wachstumsdepressionen kommt [35].

Mit dem alljährlichen Abwurf des Laubes verlieren die Gehölze nur einen geringen Teil des überschusses an Natriumchlorid. Nicht mit dem Abwurf der Blätter entferntes Natriumchlorid reichert sich vor allem im Splintholz (Bast) an, so dass stark belastete Bäume dauerhaft hohe Salzkonzentrationen aufweisen können und sich somit bereits beim Austrieb des Laubes hohe Natrium- und Chlorid-Werte ergeben [12]. Schließlich ähneln die mit einer gesteigerten Aufnahme von Natriumchlorid einhergehenden Schäden insgesamt jenen, die durch Wassermangel hervorgerufen werden (Dürreschäden), da beide Belastungen den Wasserhaushalt stören (osmotischer Stress) und den Phytohormonhaushalt der Bäume in gleicher Weise beeinflussen [3].

Längerfristig bestehende Entwicklungsschwächen äußern sich in einem verzögerten Austrieb der Knospen, der Ausbildung kleinerer Blätter und reduzierten Trieblängen. In einem fortgeschrittenen Stadium kommt es dann zu einem Absterben von Knospen und Trieben (Wipfeldürre) sowie zu einer Abnahme des Dickenwachstums. Aufgenommenes Natriumchlorid beschleunigt somit insgesamt den Ablauf von typischen Alterungsprozessen und durch die herabgesetzte Vitalität erniedrigt sich zudem die Abwehrfähigkeit des Baumes gegenüber schädigenden Umwelteinflüssen, Krankheitserregern und Schwächeparasiten.

Während die Schädigungen des Bodens insbesondere mit dessen Gehalt an Natrium-Ionen zusammenhängen, stehen die Schäden an Pflanzen hauptsächlich mit der hohen Konzentration von (aufgenommenen) Chlorid-Ionen in den Zellen in Verbindung [11]. Hinzu kommt, dass der im Straßenraum durch den Verkehr aufgewirbelte Sprühnebel eine hochkonzentrierte Natriumchlorid-Lösung darstellt. Diese setzt die Oberflächenspannung des Wasser so stark herab, dass die (Sprüh-)Sole besonders leicht über die Spaltöffnungen in die Blätter eindringen kann [8]. Durch eine regelmäßig wiederholte Aufnahme von Streusalz wird somit unweigerlich eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, an deren Ende es zu irreversiblen Schäden an den Gehölzen kommt.

Als Grenzwert, bei dessen überschreiten mit sichtbaren Schäden an Bäumen zu rechnen ist, wird ein Gehalt von etwa 1 % Chlorid in den Blättern genannt. Als Referenzwert für unbelastete Blattproben werden Werte von etwa 0,15-0,30 % angegeben [5]. Es handelt sich dabei jedoch nur um sehr grobe Richtwerte zur Allgemeinen Orientierung, welche die Eigenarten unterschiedlicher Baumarten und Böden an den Standorten, den Zeitpunkt der Probenentnahme sowie die verschiedenen methodischen Ansätze zum Nachweis dieser Grenzwerte für Bäume nicht berücksichtigen.


Diagnose von Streusalzschäden

Im Allgemeinen werden durch Streusalz verursachte Schäden an Bäumen anhand von äußerlich in Erscheinung tretenden Symptomen in der Baumkrone vermutet. Die größte Beachtung finden dabei abgestorbene Blattränder, wenngleich dieses Schadbild rein visuell nicht sicher von einem Dürreschaden zu unterscheiden ist. Der Umfang der Nekrosen kann zur Einordnung des Schweregrades der Blattschädigung herangezogen werden [17]. Darüber hinaus gehende Hinweise ergeben sich jedoch erst im Zusammenhang mit den Umgebungsbedingungen und der definitive Nachweis kann nur mittels einer Analyse von Blatt- und Bodenproben geführt werden.

Die unterschiedlich stark ausgeprägte Reaktion verschiedener Baumarten auf den Einfluss von Streusalz spiegelt sich auch in der Ausbildung von ersichtlichen Symptomen wieder. Während sich beispielsweise die Aufnahme von Natriumchlorid bei Linden- und Ahorn-Arten deutlich in der Entstehung von Blattrandnekrosen widerspiegelt, bleiben die Blätter von Platanen auch bei hoher Salzbelastung länger frei von in Erscheinung tretenden diagnostischen Merkmalen. Eigene Untersuchungen in den Wurzelräumen an stark belasteten Baumstandorten haben überdies ergeben, dass auch der längerfristige Einfluss von Streusalz nicht zwangsläufig mit der Ausbildung von verdickten, kaum verzweigten Wurzeln und einem verminderten Feinwurzelbesatz einhergehen muss.

Hinzukommend wurde an den Wurzeln, selbst von stark abgängigen Platanen und Linden an hoch belasteten Standorten mit nachweislich massiv überhöhten Natriumchlorid-Werten in den Blättern, stets das Vorliegen einer Endomycorrhiza bzw. zusätzlich der Besatz mit einer Ektomycorrhiza festgestellt. Ungeachtet der Tatsache, dass keine weitere Klassifizierung der pilzlichen Symbiose-Partner erfolgt ist, unterstreichen diese Ergebnisse die Notwendigkeit von laboranalytischen Begleituntersuchungen bei der Diagnose von Streusalzschäden, die eine anthropogen verursachte Komplexkrankheit darstellen, bei der die geschädigten Bäume ein Indikator für im Boden vorliegende Missverhältnisse sind.


Boden- und Baumsanierungen


Auswirkungen in der Praxis

Die vorhergehende Betrachtung verdeutlicht, welche herausragende Rolle dem Boden am Standort zukommt und das dieser nicht nur in einer ausreichenden Menge und Qualität vorhanden sein sollte, damit sich der hier gepflanzte Baum behaupten kann, sondern zeigt darüber hinaus, dass das Substrat im Wurzelraum vor dem Eintrag von Streusalz und salzhaltigem Tauwasser geschützt werden muss. Nach verschiedenen Quellen tolerieren unterschiedliche Baumarten Streusalz in einem geringeren oder erhöhten Ausmaß [14].

Ringporige Baumarten scheinen eine erhöhte Toleranz allein dadurch zu besitzen, dass sich bei diesen relativ große Gefäße bereits vor dem Blattaustrieb entwickeln. Zerstreutporige Baumarten sind durch die Anlage relativ kleiner Gefäße über die gesamte Vegetationsperiode demnach anfälliger für ein durch Streusalz vermindertes Dickenwachstum, was die Versorgung der Krone mit Wasser bei diesen Arten erschwert (HÖSTER 1977, 1979 zit. in [7].

Es ist ein Teufelskreislauf der in Gang gesetzt wird, wenn das streusalzhaltige Wasser in den Wurzelbereich eines Baumes und so in die Pflanze gelangt. Um dies zu Verhindern kann beispielsweise auf alternative Streumaterialien wie Sand, Splitt oder fein gebrochener Blähton, die allesamt abstumpfende Eigenschaften besitzen, zurückgegriffen werden. Wo auf den Einsatz von Auftausalzen nicht verzichtet werden soll wird empfohlen, die Fugen in Bordsteineinfassungen abzudichten, um dadurch das Eindringen von Salzwasser zu minimieren.

Eine provokante Frage sei an dieser Stelle gestattet: Müssen in Anbetracht der Realitäten die Wurzelräume unserer Straßenbäume zukünftig "nicht am besten wasser- und luftundurchlässig" ausgebildet werden, um das Eindringen von auftausalzhaltigem Wasser zu unterbinden? Die ersten diesbezüglichen überlegungen, Dichtungsmaterialien zum Schutz der Bäume zu verwenden, wurden bereits angestellt und realisiert. Vor diesem Hintergrund und aufbauend auf diesem zunächst scheinbaren Widerspruch wurde auch die Sanierung von streusalzgeschädigten Baumstandorten durchgeführt.


Verhinderung des Eintrags von ausgebrachtem Streusalz in den Boden

Auf einem zentral gelegenen Platz vor dem Dom einer westfälischen Großstadt, erfreuen sich Anwohner und Besuchern der Stadt an den zahlreichen Lokalen, sie säumen den Platz und laden vor einem Bestand aus älteren Linden zum Verweilen ein. Zudem findet zweimal wöchentlich ein gut frequentierter Wochenmarkt statt, wobei der Raum zwischen den Bäumen bis an deren Stämme heran genutzt wird. An den Bäumen sorgt jeweils ein Anprallschutz aus Metall, welcher den offenen Bereich der Baumscheibe mit einschließt dafür, dass Beschädigungen der Stämme unterbleiben. Während die Bäume oberirdisch vor mechanischen Einflüssen geschützt sind, zeugt ihr Habitus, der bei fast allen Bäumen von Kleinlaubigkeit, Blattrandnekrosen, Wipfeldürre, Kurztriebigkeit sowie von kaum noch erkennbarem Dickenwachstum der Stämme gekennzeichnet ist, von den weitreichenden Problemen im Boden an ihren Standorten.

Die Pflanzgruben der Bäume und der daran anschließende, ihnen potenziell zur Verfügung stehende Wurzelraum, liegen unter einer Pflasterung mit wasser- und gasdurchlässigen Fugen. Es können somit große Wassermengen, die bei Starkregenereignissen niedergehen, über die Gesamtfläche des Platzes aufgenommen und langsam abgeführt werden. Dadurch, dass der Eintritt des oberflächlichen Wassers ermöglicht wird, besteht jedoch zugleich die Gefahr, dass auf diese Weise auch salzbelastetes Tauwasser in den Boden gelangt und von den Bäumen aufgenommen wird.

Hohe, in den letzten Wintern ausgebrachte Salzmengen und zu geringe Niederschlagsmengen in den zurückliegenden Sommern haben dazu geführt, dass sich der Allgemeinzustand der Linden auf dem Domplatz verschlechtert hat. Bei einigen Bäumen blieben nur noch deren Fällung und die anschließende Neupflanzung.

Die Wurzelballen gefällter Linden konnten im Rahmen dieser Maßnahme eingehend begutachtet werden. Außerdem ergab sich währenddessen eine angeregte Diskussion zwischen Vertretern der Stadt und beteiligten Baumsachverständigen. Gewillt sich der besonderen Herausforderung zu stellen, einigte man sich darauf, gemeinsam eine Lösung an einem ausgewählten Baum auf dem Domplatz zu erproben.

In der Folgezeit wurde ein individuelles Sanierungskonzept erarbeitet [19], welches insbesondere zwei Sachverhalte berücksichtigen musste: Zum einen war dies der unbedingte Erhalt der historischen Pflasterung am Baumstandort und zum anderen, dass im Bereich des Baumes auch weiterhin mit der massiven Ausbringung von Auftausalzen zu rechnen ist. Unter diesen Aspekten entstand ein Plan zur Sanierung eines Baumstandortes unter Zuhilfenahme von Substraten.

Im Rahmen der Mitarbeiterschulung eines Baumpfleger-Verbandes wurden den Teilnehmern die Herangehensweise sowie die Umsetzung des Sanierungskonzeptes erläutert. Vor den kritischen Augen der Fachteilnehmer wurde im Bereich des zu sanierenden Baumstandortes der neu zu schaffende Wurzelbereich schonend mit Hilfe eines Saugbaggers freigelegt. Das dabei sichtbar werdende Wurzelsystem der Linde zeigte sich in dem erwarteten schlechten Zustand und war vor allem, bedingt durch den schädigenden Einfluss des Auftausalzes und der zusätzlichen Bodentrockenheit, durch eine stark reduzierte Wurzelausbildung und einen auffallend geringen Feinwurzelbesatz gekennzeichnet.

Die Entscheidung zum Austausch des vorhandenen Bodens gegen ein unbelastetes Substrat fiel insbesondere aufgrund der Analysedaten durch ein Speziallabor. Das Fugenmaterial des Pflasters wies Werte, vergleichbar mit denen fast reinen Salzes und für den vorhandenen Boden am Standort unter anderem massiv überhöhte Natrium-Werte auf. Obwohl der Substrataustausch eine vergleichsweise aufwändige Methode darstellt, ergibt sich hierbei zugleich die Möglichkeit, die Eigenschaften des Baumstandortes dauerhaft im Sinne des Baumes zu optimieren.

Dies wurde durch den Einbau von grobkörnigem Material, das als Stützgerüst die oberflächlichen Lasten in den Untergrund abträgt, und ein dazwischen eingearbeitetes, quasi nicht verdichtetes Feinbodengemisch, realisiert. Letztgenanntes wurde zudem durch die Zugabe einer Starterdüngung und Mycorrhiza-Pilzen aufgearbeitet. Die Belüftung des Wurzelraumes wurde durch ein untenliegendes System aus entsprechenden Dränageleitungen sichergestellt. Parallel hierzu wurde ein weiterer Dränagestrang zur Bewässerung des Wurzelraumes im oberen Teil der Pflanzgrube installiert.

Im äußeren Randbereich des Wurzelraumes wurde eine Möglichkeit zur Ableitung von streusalzbelastetem Wasser eingebaut. Dies vor dem Hintergrund, dass die Pflasterung oberhalb des neu geschaffenen Wurzelraumes mit wasserundurchlässigem Fugenmaterial ausgebildet wurde. Das zu erwartende Tauwasser kann somit nicht mehr von oben in den Wurzelraum der Linde versickern. Stattdessen gelangt dieses an den Rändern des Wurzelraumes in die Tiefe, wo es dann abschließend von dem umlaufenden Dränagestrang in einen Vorfluter abgeführt wird.

Es ist zu hoffen, dass die auf dem Domplatz vorgenommene Sanierung des Baumstandortes früh genug erfolgte und sich die dort wachsende Linde erholen kann. Der Erfolg (oder Misserfolg) der Maßnahmen, die im Sommer 2013 durchgeführt wurden, soll durch eine begleitende Langzeitbeobachtung des Baumes dokumentiert und durch weitere Veröffentlichungen in der Fachöffentlichkeit diskutiert werden. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse kann dieses Konzept der Standortsanierung dann gegebenenfalls an weiteren Bäumen angewandt werden.

Für die Standort- und Baumsanierung sind darüber hinaus effektive Möglichkeiten bekannt, auf die in Abhängigkeit von den Bedingungen am Standort zurückgegriffen werden kann. Sie reichen von der Ausspülung der verbliebenen Chorid-Ionen, über die Gabe von zusätzlichem Kalium [27], bis hin zu einer optimalen Versorgung des Bodens mit Humus und der Bindung der Chlorid-Ionen an diese Stoffe [22]. Allen Maßnahmen ist jedoch gemein, dass sie ihre Wirkung auf den Baum über den Boden erzielen.


Versuch der Revitalisierung von streusalzgeschädigten Linden

Die behandelten Bäume wurden zum Zeitpunkt ihrer Verpflanzung, im März 1984, mit der damals noch neuen 3 m Optimal-Verpflanzmaschine aus der Stadt Bramsche, etwa 20 km nördlich von Osnabrück, umgesetzt. Am alten Standort mussten sie einer Straßenbaumaßnahme weichen. Die Alternative hieß dort: "Verpflanzen oder Fällen". Der gleichmäßige Austrieb der 30 Großbäume kurz nach dem Verpflanzen und ihr weiteres, geradezu "ungebremstes" Wachstum, überraschten die Verantwortlichen des damaligen Grünflächenamtes.

Da auf Anhieb keine Erklärung für dieses Phänomen gefunden wurde, entschloss man sich, von einem dieser Bäume einen Bohrkern für eine Jahrringanalyse zu entnehmen und diesen, mit jenen ganz ähnlicher Bäume zu vergleichen. Außerdem wurden an ausgewählten Standorten Bodenanalysen vorgenommen. Die am Entnahmestandort vorherrschenden Bodenverhältnisse, dort liegt wie am neuen Standort ein humoser und gut mit Nährelementen versorgter Sand vor, hatten eine intensive Bewurzelung der Bäume begünstigt. Infolge einer guten Versorgung mit Wasser und Nährstoffen, konnten sie in der Vergangenheit optimal wachsen und dadurch bedingt auch in einem hohen Maße Reservestoffe einlagern, die dann für einen kräftigen Austrieb nach dem Verpflanzen zur Verfügung standen.

Die Ergebnisse der Jahrringanalysen ergaben, dass der jährliche Dickenzuwachs der Stämme der Bäume nach dem Verpflanzen zwischen 3 und 6 mm variierte und sich damit in der Schwankungsbreite des langjährigen Mittels bewegte. Er war auch identisch mit dem Dickenzuwachs der Bäume, die noch am früheren Standort verblieben waren. Das Triebwachstum der verpflanzten Bäume, behielt ebenfalls dieses gute Niveau [25].

Im Rahmen der Umgestaltung des Platzes vor dem Dom Mitte der 1990er Jahre wurden dem Wunsche des Architekten und einer Entscheidung der zuständigen politischen Gremien folgend, einige Bäume innerhalb der Platzfläche nochmals verpflanzt. Bei dieser nun manuell durchgeführten Umsetzung, bei der die Bäume eine Ballengröße von etwa 3,50 m Durchmesser erhielten, erfolgte eine eingehende visuelle Beurteilung der Wurzelballen. Sie waren hervorragend durchwurzelt und ihr Zustand entsprach demjenigen von regelmäßig verschulten Baumschulgehölzen.

Die Bäume erhielten an ihrem neuen Standort jeweils eine etwa 4 x 4 Meter messende und mit Substrat verfüllte Pflanzgrube, die mit freitragenden Abdeckungen, die heute als Unterflurbaumroste bekannt sind, überbaut wurden. Auch diese zweite Verpflanzung hatten die Linden gut überstanden [31].

Was die Bäume jedoch deutlich sichtbar nicht aushielten war der übermäßige Einsatz von Streusalz, vor allem an der dort befindlichen Bushaltestelle, dem Taxenstand und im Laufbereich der Passanten zum benachbarten Theater. Die Blätter zeigten starke Schadsymptome und typische Randnekrosen. Zum Nachweis dieses vermuteten Zusammenhanges wurden im Jahre 2011 Blätter der Linden sowie Bodenproben von ihrem Standort entnommen und laboranalytisch untersucht.

Die Natrium- und Chloridgehalte im Boden und in den Blättern waren stark überhöht. Der Chloridgehalt lag bei 20.000 mg/kg im Laub und betrug somit mehr als das 30-fache des "Normalwertes". Der Natriumgehalt des Bodens betrug etwa 400 mg/kg und lag damit beim 10-fachen des maximalen Sollwertes. Zusätzlich wiesen die Blätter biotische Schäden auf, die als sekundärer Schwächebefall interpretiert werden können. Durch die Blatt- und Bodenanalysen wurde der Streusalzeintrag als primäre Schadensursache bestätigt.

Als erste Gegenmaßnahme wurden wurzelschonend mit einem Saugbagger flächig etwa 30 cm Substrat aus den Baumscheiben und pro Baum zwei Kavernen bis auf eine Tiefe von etwa 0,60 m bis 0,80 m abgesaugt. Diese Kavernen fördern die Infiltration von Gieß- und Regenwasser in tiefere Bodenschichten, so dass hierdurch auch eine Auswaschung salzbelasteter Bodenbereiche in einem erhöhtem Maße stattfinden kann.

In zwei darauffolgenden Schritten und in einem Abstand von etwa 8 Wochen, wurden Huminsäuren in den Boden eingebracht. Hierbei handelte es sich um ein 85 %-iges, wasserlösliches Konzentrat, wie es in Böden und Gewässern zu finden ist. Huminstoffe entstehen aus pflanzlichen Abbauprodukten und lassen sich in Humin, Huminsäure, Fulvate und Ulminsäure aufspalten. Das Mittel wurde in einer Lösung von 300 g Konzentrat auf 1000 l Wasser in die Baumscheiben und Kavernen eingespült. Auf diese Weise wird der Boden in die Lage versetzt, den schädigenden überschuss an eingetragenen Ionen in einem größeren Umfang als bisher zurückzuhalten.

Anschließend wurden die Baumscheiben wieder mit Obersubstrat abgedeckt. In den Winterhalbjahren, ab etwa Anfang Dezember, wurden und werden die Baumscheiben auch gegenwärtig regelmäßig mit einer etwa 5 cm starken Schicht aus Rindenmulch versehen, die im März wieder entfernt wird. Der Humus soll weiterhin eindringendes, salzhaltiges Wasser zumindest teilweise binden. Zusätzlich wurden die acht betroffenen Linden In den Jahren 2012 und 2013 monatlich von Mai bis September mit insgesamt 10.000 Liter Wasser je Durchgang gewässert [6].

Da sich der Zustand der Linden trotz der umfangreichen Maßnahmen in der Zwischenzeit jedoch nicht wesentlich gebessert hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Schädigungsgrade der Standorte und der Bäume bereits zu weit fortgeschritten sind, als dass sich der aktuelle (Abwärts-)Trend noch umkehren lässt.


Sanierung eines Einzelbaumes durch Substrataustausch und Eintrag eines Algenproduktes

Bei der Sanierung eines anderen Baumstandortes wurde u. a. der Frage nachgegangen, ob der Einsatz eines Algenprodukts mit einer Vielzahl verschiedener Inhaltsstoffe, die im Wesentlichen diverse Nährelemente darstellen, die Maßnahme positiv beeinflussen kann. Der Beginn der Standortsanierung war am 13. August 2013. Die bisherige runde Baumscheibe der dort wachsenden Linde hatte einen Durchmesser von etwa 160 cm, d.h. eine Fläche von etwa 2 qm. Im Zuge der Umgestaltung des Standortes wurden zahlreiche Schritte unternommen, von denen die wichtigsten im Folgenden stichwortartig aufgeführt sind:

    Geänderte Baumscheibe: rechteckig, ca. 160 x 240 cm, (lediglich) 3,84 qm.
    Absaugen des Bodens aus der Baumscheibe bis etwa 80 cm Tiefe und Einbau von neun senkrechten Belüftungselementen.
    Die Tiefe der Wurzelraumerweiterung (außerhalb der ehemaligen Baumscheibe) beträgt etwa einen Meter. Wegen der dort verlaufenden Wasserleitung wurde darauf verzichtet, mit der Pressluft-Sprenglanze tiefer in den Boden einzudringen. Der Haupt-Wurzelhorizont des Baumes beginnt bei ca. - 50 cm und ist nur ca. 20 cm mächtig. Die Baumwurzeln scheinen auch seitlich aus dem Bereich der ehemaligen (runden) offenen Baumscheibe hinausgewachsen zu sein.
    Der Vorstand der einfassenden Läuferreihe aus Großsteinpflaster beträgt ca. 5 cm, die Fugen sind wasserdicht verschlossen.
    Entnahme von Substrat für bodenphysikalische und bodenchemische Untersuchungen sowie von Blättern zur Analyse des Salzgehaltes im Gewebe.
    Entnahme einiger Wurzeln zwecks morphologischer und mikroskopischer Bestimmungen des Mycorrhizierungsgrades der Wurzeln.
    Intensives Wässern des verbliebenen Wurzelbereichs, um evtl. noch vorhandenes NaCl auszuspülen. Das Wasser wurde überwiegend mit dem Saugbagger abgesaugt.
    Einfüllen von Untersubstrat, vermengt mit 25 kg/cbm Substrat des Algenproduktes, granuliert – gemäß der Abstimmung mit der Herstellerfirma (LUDWIG 2012) am 12. Oktober 2012.
    Auf den Rat des Analysenlabors wurde der ansonsten empfohlene Zusatz an Nährstoffen für das Substrat variiert. Anstatt wie bisher 0,75 Kg Patentkali, wurde 1 Kg/cbm hiervon zugesetzt, um eine bessere Kaliumversorgung und eine geringere Aufnahme von Chlorid-Ionen zu erreichen [28]. (Diese Information des Gutachters ist als unverbindlicher Hinweis zu betrachten, da ihm keine bodenkundlichen Untersuchungen zugrunde liegen.).
    Das Untersubstrat wurde intensiv eingeschlämmt, wobei auf eine Aufschwemmung des Algenproduktes zurückgegriffen wurde, um einen innigen Kontakt des Zusatzmittels mit den Wurzeln zu gewährleisten.
    Das Obersubstrat wurde anschließend in einer Mächtigkeit von etwa 30 cm aufgebracht.
    Das fehlende Rabattengeländer wurde innerhalb der folgenden vier Wochen installiert. Bis zu diesem Zeitpunkt verblieb die Baustellen-Absperrung, die die Baumscheibe u. a. gegen das Betreten schützte.
    Vor dem folgenden Winter und dem regelmäßig, u.a. auf dem Marktplatz stattfindenden Weihnachtsmarkt, wurde Kompost in einer Schichtdicke von etwa 5 cm auf eine darunterliegende, salzwasserdichte Folie auf die Baumscheibe aufgebracht und im darauffolgenden Frühjahr wieder beseitigt, um einen möglichen Eintrag von Streusalz zu verhindern.
    Ab etwa Ende November 2012: Weihnachtsmarkt, Baumscheibe mit Verkaufsstand überbaut. (In dieser "Bude" befand sich auch ein 10 Kg-Sack mit Streusalz.)
    Im Frühjahr/Sommer 2013 wurde die Baumscheibe mit einer Wechselbepflanzung aus annuellen Pflanzen begrünt [6].
    Am 8. März 2013 erfolgte eine Kroneneinkürzung bzw. ein Rückschnitt zur "Verdünnung des Salzgehaltes" im Gewebe des Baumes.
    Im Mai 2013: schlechter Austrieb und sehr lockere Krone der Linde.
    Entnahme von Boden- und Blattproben zur Analyse der Inhaltsstoffe, Vergleich mit den festgestellten Werten des Vorjahres (Boden- und Gewebeproben).
    Analyse des Mycorrhizierungsgrades und der Anatomie der Wurzeln sowie der Mycorrhizen (Endo- und Ektomycorrhiza) und Vergleich mit den Feststellungen aus dem Vorjahr [34].
    Absprache mit den beteiligten Wissenschaftlern zur Kontrolle des "Verdünnungseffektes". Dazu kein Aufbringen weiterer Bodenhilfsstoffe und insbesondere kein weiterer Eintrag von Streusalz (wenn möglich).
    Erneutes Abdecken der Baumscheibe mit einer Folie und Humus im November 2013, vor dem Aufbau des Weihnachtsmarktes und des direkt über der Bauscheibe platzierten Verkaufsstandes.

Die Betreiberin des Verkaufsstandes wurde alsdann explizit auf die Besonderheiten des Standortes angesprochen und im gleichen Zuge das in der Straßenreinigungssatzung festgeschriebene Streusalzverbot auf Gehwegen durch den zuständigen Marktmeister ausgesprochen (LINDKE 2013). Die bisherige Analysen des Laubes belegen zwar eine "nur" etwa halb so hohe Belastung mit Chlorid wie im Vorjahr (2012). Diese lag 2013 anstatt bei etwa 20.000 mg/kg jedoch noch immer bei etwa 11.000 mg/kg und ist damit weiterhin um ein Vielfaches höher als der Referenzwert, der nach div. Quellen mit 100 - 600 mg Chlorid/kg Laub für Forstbäume angegeben wird. Die begleitende Langzeitbeobachtung wird aufzeigen, ob der Linde an diesem Standort noch rechtzeitig Hilfe zuteilwurde.


Fazit

Nur wenn der Einsatz von NaCl als Auftausalz in der Nähe zu Baumstandorten sehr, sehr drastisch eingeschränkt wird und stattdessen alternative und nicht aggressive Streumaterialien ausgebracht werden, nachdem der Schnee zuvor mechanisch beseitigt wurde und nur, wenn die aufgrund der bereits bestehenden Schäden erforderlichen Gegenmaßnahmen "rechtzeitig", d. h. vor dem Erreichen der für die jeweiligen Baumarten unterschiedlichen Toleranzgrenzen ergriffen werden, haben wir Chancen, auch unseren Kindern noch ältere Bäume an den Straßen unserer Städte zu hinterlassen.

Eine Lösung des Problems scheint, wenn man den Salzlobbyisten ein gewisses Profitstreben nicht abspricht und nicht übel nimmt und der Realitätssinn wieder in den Vordergrund tritt, kaum in greifbarer Nähe. Dies insbesondere vor der von Fachleuten geäußerten Vermutung, dass unter der Bundesrepublik Deutschland ein Volumen von über eine Million Kubikkilometer Steinsalz lagert. Ein Schelm, der dabei nur an gute Geschäfte denkt! Möglicherweise wird eines Tages ein Produkt auf den Markt kommen, dass für den Boden, die Pflanzen und die Umwelt weitestgehend harmlos ist. Wissenschaftler und Praktiker werden bis dahin ihr "Know-how" zusammenfassen müssen um Mittel und Wege zu finden, den Auswirkungen des "Weißen Goldes" so gut wie möglich entgegenzutreten - aus heutiger Sicht mit begrenztem Erfolg.



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