WURZELREGENERATION VERPFLANZTER GROSSBÄUME
Quelle: AFZ-DerWald, 67. Jahrgang, Heft 20, S. 40-43
Dipl.–Biol. Dr. Markus Streckenbach, Dipl.-Ing. Klaus SchröderIm November 2009 wurden in der Stadt Osnabrück insgesamt 24 Großbäume zur Durchführung eines mit Fördermitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) realisierten Forschungsvorhabens umgesetzt. Die Verpflanzung der Gehölze erfolgte durch die Spezialisten der "Deutschen Gesellschaft für Großbaumverpflanzung" (DGG). Bereits im Zuge der Vorbereitung der Großbaumverpflanzung wurden die Möglichkeiten der Nachversorgung der Gehölze umfassend diskutiert, da die Bäume an ihrem neuen Standort vollständig veränderte Wachstumsbedingungen erwarteten. Die ursprünglich geschützt in einem Verbund gewachsenen Gehölze hatten sich bis dahin in unterschiedlichen Substraten einer Versuchspflanzung entwickelt [1].
Einleitung
In ihrer neuen Umgebung treffen die Bäume nicht nur auf veränderte Bodeneigenschaften. Durch eine abgewandelte und nun deutlich exponiertere Anordnung, sind sie den klimatischen Umgebungsbedingungen in einem wesentlich höheren Maße ausgesetzt als sie es zuvor waren. Bedingt durch die Bedingungen am ehemaligen Standort, hatten die Bäume asymmetrische Kronen entwickelt. Zudem hatten sie in Wurzelgräben atypisch geformte Wurzelsysteme hervorgebracht. Diese ungewöhnliche Ausgangssituation erforderte ein Umdenken hinsichtlich der Durchführung bewährter Schritte. Die Anlage von Rehabilitationszonen (Reha-Zonen) stellt für Gewöhnlich die erste und zugleich eine der wichtigste Maßnahmen bei der Versorgung der Bäume am neuen Standort dar [2]. Aus Voruntersuchungen war bekannt, dass sich die Hauptmasse der Wurzelsysteme auf den zentralen Bereich der auszustechenden Ballen sowie die davon abgehenden, 1 m langen Wurzelgräben konzentrierte [3]. Dieser Umstand vereinfachte die Entscheidung, die einzelnen Schritte der Nachversorgung zeitlich stärker zu entzerren, um den Gehölzen die Anpassung an den neuen Standort zu erleichtern. Die hier dargestellten Ergebnisse zeigen, dass auch nachträglich angelegte Rehabilitationszonen positive Auswirkungen auf das Wurzelwachstum von Bäumen haben können.
Verpflanzung der Gehölze
Das Umpflanzen der Gehölze erfolgte mit einer Rundspatenmaschine Optimal 3000. Dieses Gerät nimmt Bäume mit einem Ballendurchmesser von 3 m und einem Ballenvolumen von 4,5 cbm auf. Nach kurzem Transportweg wurden die Bäume in die vorbereiteten Pflanzgruben gesetzt. Auf Grund der ausreichend guten Bodeneigenschaften auf dem neuen Versuchsgelände, wurden zu diesem Zeitpunkt dort keine den Standort verbessernde Maßnahmen durchgeführt. Zeitgleich zur Entnahme der Bäume wurden die Wurzelgräben der ehemaligen Versuchsanlage untersucht. Die Verteilungsmuster der Wurzeln ließen darauf schließen, dass sich die Feinwurzeln der Bäume überwiegend innerhalb des maschinell gestochenen Ballens befinden würden. Das Ergebnis des kompletten Freispülens der Wurzeln im Ballen einer verpflanzten Platane bestätigte diese Annahme.
Nachversorgung der Gehölze
Im Zusammenspiel mit dem Zeitpunkt der Umsetzung, zum Ende der Vegetationsperiode 2010, wurde daher davon ausgegangen, dass die Ballen der Bäume frühestens im zweiten Jahr nach der Verpflanzung relativ intensiv durchwurzelt sein würden. Dem entsprechend konnte das Hauptaugenmerk der Maßnahmen zur Nachversorgung zunächst auf die oberirdischen Baumteile gelegt werden. Die Notwendigkeit eines Kronenrückschnittes ergibt sich bei Großbaumverpflanzungen zumeist aus dem Verlust größerer Feinwurzelanteile. In diesem Fall stand dagegen vor allem die Reduktion der Windangriffsfläche an erster Stelle. Um den veränderten Standortbedingungen Rechnung zu tragen, wurden durch Baumpfleger des Osnabrücker ServiceBetriebes (OSB) zunächst umfangreiche Pflegemaßnahmen an den verpflanzten Gehölzen durchgeführt. Hierzu gehörten Schnittmaßnahmen im Kronenbereich der Bäume, wie deren einheitliches Aufasten auf etwa 4 m Höhe.
Die in einem Abstand von 6 m zueinander auf einer Gesamtlänge von etwa 130 m nun in Reihe gepflanzten Gehölze, erhielten zudem Pflegemaßnahmen in Form von moderaten Kroneneinkürzungen und Kronenauslichtungen. Der Bereich der Wurzelballen wurde anschließend von unerwünschtem Aufwuchs befreit und letzte Reste der oberflächig noch vorhandenen Kunststofffolien, welche aus dem ehemaligen Versuchsaufbau stammten, auf den Wurzelballen entfernt. Zusätzlich wurden Schnittmaßnahmen an oberflächennahen Grob- und Starkwurzeln, inklusive der entsprechenden Wundversorgung, vorgenommen und die Wurzelballen mit Obersubstrat abgedeckt. Den Abschluss der umfangreichen Aktion bildete die Anbindung der Gehölze mittels Kokosstricken und Erdankern.
Anlage der Rehabilitationszonen
2 Jahre nach der Verpflanzung, wurden an den mittlerweile am neuen Standort gut etablierten Gehölzen, Rehabilitationszonen angelegt. Die in den zurückliegenden Vegetationsperioden erreichte Zunahme der Stammumfänge war optimal. Bereits daran wurde ersichtlich, dass die Einschätzung hinsichtlich der Feinwurzelausbildung innerhalb der während der Verpflanzung gestochenen Ballen richtig war.Die Anlage der Reha-Zonen wurde maßgeblich durch die Unterstützung der beteiligten Kooperationspartner ermöglicht. Bei der Auswahl geeigneter Substrate konnte auf die langjährige Erfahrung eines Substratherstellers zurückgegriffen werden. In Zusammenarbeit mit diesem wurden zwei unterschiedliche Substrate zur Verfüllung der Rehabilitationszonen ausgewählt. Hierbei handelte es sich um Mischungen strukturstabiler Materialien mit Körnungen von 0 bis 16 und 0 bis 32. Der Einbau der Substrate erfolgte durch das bereits mit der Verpflanzung der Großbäume beauftragten Unternehmen. Schrittweise wurde zunächst ein umlaufender, 60 cm breiter und 80 cm tiefer Graben um die mit der Verpflanzmaschine gestochenen Pflanzballen (Durchmesser 300 cm) ausgehoben. Dies erfolgte mit einem Mini-Bagger. Dabei wurde auf das Vorkommen von Grob- und Starkwurzeln geachtet, um diese manuell freizulegen und mit einer scharfen Baumsäge nachzuschneiden.
Diese Wurzeln wurden danach für ein späteres Auffinden markiert, um an ihnen die zu erwartenden Regenerationseffekte näher untersuchen zu können. Zur maximalen Steigerung der Durchlüftungssituation im Bereich der Rehabilitationszonen, wurden in diese pro Baum 12 Belüftungselemente senkrecht eingebaut. Dabei kamen geschlitzte Sickerrohre zum Einsatz. Nach dem Einsetzen von Stechzylindern am Boden der Gräben, zur nachträglichen Kontrollmöglichkeit von Substratverlagerungen an ungestörten Proben, erfolgte im Anschluss daran das Einfüllen jeweils eines der beiden Substrate. Das eingebrachte Material wurde lagenweise durch Antreten verdichtet, um den sonst zu erwarteten Sackungen der eingefüllten Substrate bis zum Erreichen der natürlichen Lagerungsdichte in einem ausreichenden Maß entgegenzuwirken. Hierdurch wurde die ansonsten hohe Tragfähigkeit der Substrate nicht vollständig ausgenutzt, was aktuell jedoch eine nur untergeordnete Rolle spielt.
Der vorläufige Abschluss der Maßnahme bestand in der Anlage von Gießrändern entlang der Aussenkante der ehemals gestochenen Ballen. Um auf länger anhaltende Trockenphasen mit erforderlichen Wassergaben reagieren zu können, werden die Bäume diesbezüglich seit ihrer Verpflanzung durch Mitarbeiter eines auf Gartengestaltung und Baumpflege spezialisierten Gartenbaubetriebes betreut.
Aufgrabungen zur Kontrolle des Wurzelwachstums
8 Monate nach der Anlage der Rehabilitationszonen wurden im Mai 2012 in diesen Bereichen an ausgewählten Bäumen Aufgrabungen durchgeführt. Um die Beeinträchtigungen auf die Wurzeln so gering wie möglich zu halten, wurden drei Exemplare unterschiedlicher Baumarten ausgewählt. Der Einfluss der unterschiedlichen Substrate auf die Wurzelentwicklung wurde in diesem Schritt zunächst vernachlässigt. Bei den Gehölzen handelte es sich um eine Esche (Baum-Nr. 20), eine Platane (Baum-Nr. 11) und eine Linde (Baum-Nr. 10). An allen drei Gehölzen wurden zum Zeitpunkt der Anlage der Rehabilitationszonen Grob- bzw. Starkwurzeln eingekürzt. Nach dem partiellen Abtragen des Gießrandes, jeweils zwischen zwei Belüftungselementen, erfolgte die Beseitigung der eingefüllten Substrate, zunächst bis zum Rand des ursprünglichen Ballens und danach weiter in die Tiefe. Direkt an der Grenze zwischen der ehemaligen Ballenaussenkante und der Rehabilitationszone hatten sich in allen Fällen oberflächennah bereits neue Wurzeln gebildet. Diese wurden bei Baum-Nr. 20 (Fraxinus) in einer Tiefe von etwa 5 cm angetroffen.
Sowohl bei Baum-Nr. 11 (Platanus) als auch bei Baum-Nr. 10 (Tilia) wurden dagegen die ersten neu gebildeten Wurzeln in einer Tiefe von etwa 15 cm beobachtet. Diese Wurzeln zeigten sich maximal turgeszent. Sie wiesen Durchmesser von etwa 0,5 bis 0,7 mm auf und waren zum Teil bis etwa 10 cm tief in die Rehabilitationszonen eingewachsen. Auffällig war zudem die Entwicklung der neuen Wurzelabschnitte stets beinahe exakt an der Grenzlinie vom ursprünglichen Ballen in die Substrate der Rehabilitationszonen. Auf Grund der äußeren Gestalt des mit der Verpflanzmaschine gestochenen Ballens (Halbkugel), entfernt sich dessen Aussenkante mit zunehmender Tiefe in einem zunehmenden Maß von der inneren Grabenwand der Reha-Zone. Diesem Umstand wird durch das zusätzliche Ausschachten dieses Bereiches Rechnung getragen. Gleichwohl kann der zentrale Bereich der Ballenunterseite durch bautechnische Limitierungen jedoch nicht mehr erreicht werden. Daher wurde erwartet, dass sich die Anzahl der neu gebildeten Wurzeln mit zunehmender Tiefe verringern würde. Dennoch wurden frisch austreibende Wurzeln auch in Tiefen von über 60 cm angetroffen. Es ist anzunehmen, dass insbesondere die gute Belüftungssituation auch in tieferen Zonen, diese günstige Entwicklung der Wurzeln fördert.
Regenerationseffekte an Grob- und Starkwurzeln
Bei Betrachtung der vor dem Einbau der Substrate nachgeschnittenen Wurzeln fiel auf, dass Starkwurzeln der Esche (Baum-Nr. 20) eine auffallend gute Wundkallusbildung zeigten. Die Grobwurzeln der Platane (Baum-Nr. 11) wirkten auch nach 8 Monaten noch wie frisch eingekürzt und zeigten nur eine minimale Verfärbung an den Schnittstellen. In unmittelbarer Nähe zu den Schnittstellen hatte sich jedoch bereits eine Vielzahl von Adventivwurzeln gebildet. Die untersuchte Starkwurzel der Linde, welche ebenfalls nachgeschnitten worden war, zeigte dahingegen weder eine Kallusbildung (wie auch die Wurzeln der Platane), noch eine Bildung von Adventivwurzeln in der Nähe der Schnittstelle. Alle Schnittstellen der nachbehandelten Wurzeln lagen an der Grenze zu den Substraten der Reha-Zonen. Die Lindenwurzel war die stärkste der jetzt untersuchten, nachgeschnittenen Wurzeln. Sie weist einen Durchmesser von etwa 6 cm auf. Auch auf Grund ihres Alters, wurde bereits vor den Aufgrabungen nicht mit nennenswerten Regenerationseffekten, wie der Bildung von Kallusgewebe am Wundrand oder von Adventivwurzeln, an dieser Wurzel gerechnet.
Fazit
Das Ergebnis der beschriebenen Einblicke in das Regenerationsverhalten der Wurzeln verschiedener Baumarten, unter den gegebenen Voraussetzungen, ist sicher nicht zu verallgemeinern. Nur unter den besonderen Umständen der Versuchsanlage war es vertretbar, die Anlage von Rehabilitationszonen auf einen späteren Zeitpunkt nach der Verpflanzung der Bäume zu verlegen. In der Praxis hat es sich gezeigt und bewährt, dass an verpflanzten Großbäumen die fachgerechten Maßnahmen der Nachsorge, insbesondere das Anlegen der Reha-Zonen unmittelbar nach der Umpflanzung der Bäume durchgeführt werden müssen [4].Die gute Reaktion der untersuchten Bäume auf das Nachschneiden der durch das Verpflanzen verletzten Wurzeln, die Anlage der Rehabilitationszonen und deren Verfüllung mit besten Substraten sowie die Zuführung von sauerstoffhaltiger Luft und der Ableitung des bodenbürtigen CO2geben über die Versuchsanordnung hinaus deutliche Hinweise darauf, welche Parameter für die Wurzelregeneration von größter Bedeutung sind. Die durch die Anlage der Reha-Zonen herbeigeführte Standortoptimierung scheint auch unter eingehender Betrachtung das zu halten, was sich Wissenschaftler und Praktiker von ihr versprechen.
Literatur
[1] Streckenbach, M.; Stützel, Th.; Bennerscheidt, C.; Schröder, K. (2007): Wurzeln und Unterirdische Infrastruktur. AFZ/Wald 62(4), 194–196.[2] Küster, B. (2009): Großbaumverpflanzung mit Rundspatenmaschinen. ProBaum 2, 14–17.
[3] Streckenbach, M. (2011): Die Zukunft innerstädtischer Baumstandorte. ProBaum 1, 2–6.
[4] Schröder, K. (2008): Möglichkeiten und Grenzen der Großbaumverpflanzung — Dreißig Jahre Erfahrungen in Osnabrück. In: Dujesiefken, D. und Kockerbeck, P. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2008, Haymarket Media, Braunschweig, 127–143.
